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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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Elia wirklich einen raren Singvogel eingefangen, einen echten Dirigententraum. Ihre Stimme mit dem sehr persönlichen Timbre faszinierte über das ganze Spektrum hin, von der federleichten, biegsamen und doch wie gestochenen Höhe über die höchst ausdrucksstarke Mitte, die klingen konnte wie ein Löwengrollen, bis hin zur kraftvollen Tiefe. Je mehr sich Elia in ihre Rolle hineinkniete, desto besser kam die Besonderheit ihrer Stimme zum Ausdruck, fand Jens Arne, und darum trieb er sie immer mehr an, obwohl sie schon von sich aus dazu neigte, sich bis zur Erschöpfung zu verausgaben.
    Oft durfte Jens Arne stundenlang kaum angesprochen werden, so vertieft schien er in seine Gedanken. Doch nach den Proben war er aufgewühlt, er redete wie ein Wasserfall, ständig fiel ihm noch etwas ein, was man noch ausprobieren oder ändern sollte, und er zeigte sich enttäuscht, wenn Elia nicht auf der Stelle beglückt mit ihm zum Flügel eilte. Dieser Mensch strotzte vor Energie, und das in einem Alter, in dem manch andere Leute nur noch mit ihrem Hund spazieren gingen. Immer wieder konnte Elia nur staunen.
    Auch erotisch wirkte er recht animiert. Wenn Elia bereits wohlig in ihrem Bett lag, klopfte es an die Tür: »Ach, Darling, lass mich zu dir unter die Bettdecke kriechen!« Konnte eine Frau ihrem Ehemann das abschlagen? Diese verdammten getrenntenZimmer, die machten alles so schwierig. Jens Arne kam dann rasch und entschlossen zur Sache und schlief anschließend ein, tief und fest. Während Elia noch wach lag. Jetzt war sie gerade einigermaßen erregt und hätte gerne noch weitere Zärtlichkeiten genossen. Irgendwann wachte Jens Arne wieder auf, reckte und streckte sich zufrieden: »Liebling, es war wunderschön, ich glaube, ich geh jetzt schlafen.« Und weg war er.
    Die Premiere gelang glanzvoll. Elia besaß schon längst einen sehr guten Ruf, aber doch mehr in den Spinto-Rollen. Jetzt etablierte sie sich auch noch im dramatischen Koloraturfach als Ausnahmesängerin. Sie war über den Erfolg von Herzen erleichtert und glücklich, und auch Jens Arne hatte allen Grund, höchst zufrieden zu sein. »So wie Elia singt das im Moment niemand«, rief er stolz in die erlesene Runde, in der die Premiere gefeiert wurde, denn Jens Arne hatte nichts übrig für lärmende Premierenfeiern. Einige würdige, meist ältere Herrschaften, darunter schwerreiche Geschäftsleute und Weltenbummler, und von den Künstlern nur Nora Petersson, die Adalgisa, die diese Ehre womöglich ihrem Ehemann, einem Earl, verdankte. Elia war völlig aufgeputscht, sie glühte und gestikulierte, fuchtelte mit ihrer Serviette, redete mit vollem Mund und lachte laut, und Jens Arne lachte mit, jungenhaft und beschwingt.
    Auch die anderen Aufführungen verliefen erfolgreich, anschließend wurden eilig die Koffer gepackt für das erste gemeinsame Gastspiel in New York mit ›Norma‹ und ›Anna Bolena‹. Außerdem würde Jens Arne noch zwei Konzerte dirigieren mit dem Philharmonic Orchestra, so wie er das seit Jahren regelmäßig tat. Danach würde er wieder abreisen, während Elia noch in New York blieb für einige Vorstellungen des ›Don Carlos‹ unter Georges Goldberg, das war seit Langem abgesprochen.
    Vor der Abfahrt aus London telefonierte Elia noch einmal mit Massimo. Martinas Zustand schien unverändert, so wiemanche heruntergebrannte Kerzen doch noch unerwartet lange brennen konnten, lebte auch sie weiter, die schwachen Kräfte sparsam verzehrend und bei vollem Bewusstsein.
    Georges Goldberg lud Elia und Jens Arne zu einem Begrüßungsessen ein. Es war das erste Mal, dass Elia die beiden »Pultheroen«, wie Mariana sie nannte, zusammen erlebte, und sie war höchst erleichtert, wie höflich und nett die beiden miteinander umgingen. Georges gab sogar unter Husten und Rasseln fröhlich zu, auf Jens Arne ganz schön neidisch zu sein: »Donnerwetter, ich hätte mich nicht getraut, dieses schöne junge Weib einzufangen! Aber du bist eben ein richtiger Kerl!« Ein lustiger Abend, sogar Jens Arne fand das.
    Am nächsten Morgen, als Elia und Jens Arne auf ihrem Zimmer frühstückten, kam der Hotelboy mit einem Telegramm: »Heute Nacht ist Martina erloschen. Ganz plötzlich, in meinen Armen. Massimo.«
    Elia konnte unmöglich zu Martinas Begräbnis fahren, sie wusste das, es war sinnlos, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Auch Jens Arne schwieg sich darüber aus, immerhin legte er seinen Arm um sie: »Bleib heute zu Hause. Ich sag in der Oper Bescheid.«

    Es

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