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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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und freundlich. Schließlich sagte sie zu Massimo: »Martina hat doch mit euch Lieder aufgenommen. Ich hätte so furchtbar gerne ein Band davon.«

    Elia hatte Jens Arne nicht angeschwindelt: Für eine so schwierige Partie wie die Medea brauchte sie tatsächlich erst einmal den Rat und die Hilfe von Mariana und Signor Ruteli, Jens Arne konnte ihr in dieser Phase noch nicht helfen. Erst wenn sie selbst ganz sicher war, konnte sie sich öffnen für die Anregungen eines Dirigenten.
    Die Arbeit mit Signor Ruteli ging gut vonstatten. Mariana allerdings war nicht vollends zufrieden. Immer wieder mahnte sie zu mehr Mäßigkeit. Auf die Dauer, so fürchtete sie, schadete Elias schonungslose Vehemenz ihrer Stimme, schon jetzt hörten ihre ungemein feinen Ohren winzige, eigentlich noch gar nicht vorhandene Anzeichen von Überanstrengung heraus. Seit dem letzten Mal, befördert wohl durch die ›Norma‹, hatte Elia einen unnötig strapaziösen und gefährlichen Weg eingeschlagen, so fand sie: »Du fährst doch gerne kraftvolle, hochgezüchtete Autos, da achtest du auch auf die Drehzahl und ruinierst nicht mutwillig den Motor. Das Gleiche gilt für dich, nimm einen Tick das Gas runter. Dosiere, wäge ab, und vor allem: Setze Akzente! Forcierte Gewalt hat beim Singen nichts verloren, nicht einmal bei der schaurigen ›Medea‹, aber das weißt du selbst am besten. Medea überschreitet jedes Menschenmaß, aber nicht das blinde Wüten einer Rasenden tobt sich hier aus, vielmehr entlädt sich der furchtbare Zorn der Götter. Medea ist nicht nur eine zutiefst beleidigte, verzweifelte, in die Enge getriebene Menschenfrau und Königstochter, sondern in ihren Adern fließt auch göttliches Erbe. Das macht sie in den Augen der anderen Menschen so suspekt und furchterregend, daher rühren ihre Zauberkräfte. Darin besteht auch ihre Tragödie und Einsamkeit. Sie ist sich ihres Zwiespaltes bewusst, ständig pendelt sie zwischen den beiden Polen. Als Mensch liebt sie ihre Söhne, als übermenschliches Wesen sieht sie in ihnen das Mittel, Jason tödlich zu treffen. Der Mord an ihnen ist erbarmungslose Rache, wie sie die Götter zu üben wissen. Mit ihm zerschneidet sie das Band zu ihrer eigenen Menschlichkeit.«
    Elia stimmte mit Mariana überein: »Du hast recht, noch in der ärgsten Verzweiflung bleibt Medea luzide, sie plant und verstellt sich, der Mord an den Kindern ist keine Kurzschlusshandlung. Es ist zu ungeheuerlich, was ihr angetan wird: Eine andere Frau maßt sich ihren Platz an, Jason gefällt Glauke, und so nimmt sie ihn sich. Medea, die Ehefrau, wird verstoßen, des Landes verjagt, weil sie im Weg steht, sogar die Kinder werden ihr genommen. Eigentlich treibt die Unmenschlichkeit der anderen Medea in ihr Außersichsein. Diese Logik muss ich herausbringen und dabei auch die andere Seite von Medea zeigen, die vernünftige, würdige, zärtliche, mütterliche, ja sogar demütige.«
    Elia und Mariana gingen das feine Gespinst der Handlung durch, schließlich schienen alle strittigen Punkte geklärt. Zum Abschied beschwor Mariana Elia noch einmal: »Vergiss deine täglichen Stimmübungen nicht, nie, nie, nie, auch wenn du wenig Zeit hast, gerade dann nicht.«
    Während Elia in ihrem roten Ferrari gen Süden brauste, überlegte sie sich, ob sie wenigstens den Wagen mit nach England nehmen sollte. Welch ein Jammer, hier in Italien besaß sie so viele schöne Dinge, die sie so wenig nutzte – von den ihr liebsten Menschen, die sie kaum mehr sah, ganz zu schweigen. Andererseits, Jens Arne sammelte Autos wie andere Leute Briefmarken, da gab es neben dem Rolls das elegante Coupé von Bristol, dann den Exoten Facel Vega und, wohl um des Namens willen, den Monteverdi aus der Schweiz, und sie waren alle auf den englischen Linksverkehr eingestellt. Irgendwann einmal, so hatten sich Jens Arne und Elia vorgenommen, wollten sie ein Rennen gegeneinander fahren, aber wann es dazu kommen sollte, das stand in den Sternen. Verglichen mit seinem Terminkalender herrschte in dem ihren geradezu gähnende Leere.
    Zu Hause hatte sich wenig verändert, glücklicherweise. Nur Fiamma war recht alt geworden, doch als sie Elia sah, weinte und winselte sie und wand sich vor Freude. Elia nahmsie mit hinüber in die »Villa Capretta«, und Fiamma wich ihr nicht mehr von der Seite. »So war es schon immer: Kaum taucht deine Elia auf, sind wir anderen abgemeldet«, sagte Teresa und streichelte ihren Liebling.
    Elia holte zufrieden ihre alten, von der Sonne

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