Im Schatten der Tosca
schwang darin mit: »Von mir aus hätte sie nicht kommen müssen. Mir ist das Ganze eher lästig.«
Elia starrte irritiert auf die beiden, sie sah, wie das Mädchen zusammenzuckte und rot wurde, aber noch war Elias gute Laune nicht verflogen, und so ging sie lachend auf Sisi zu, die inzwischen auch aufgestanden war: »So eine freudige Überraschung! Ich meine, da sollten wir doch am besten gleich Du zueinander sagen.« Sisi wurde wieder rot, zugleich aber wirkte sie erleichtert. Wer weiß, was sie sich unter mir vorgestellt hatte, dachte Elia. Sie beschloss, die unterkühlte Stimmung an diesem Tisch aufzutauen, und so winkte sie dem Kellner: »Wir brauchen Champagner. Und zudem habe ich einen Bärenhunger!« Dann begann sie munter draufloszuplaudern: »Es ist schon verrückt, wie einem nach Jahren alles auf Anhieb wiederkommt. Das mit der Susanna, das war wirklich eine gloriose Idee von Fulvio, ich hätte niemals im Leben daran gedacht, sie noch mal zu singen, und jetzt bin ich richtig glücklich.« Sie stieß mit ihren Tischgenossen an, erst mit Sisi: »Wie schön, dich endlich kennenzulernen! Ich hoffe, wir verstehen uns gut. Also, ich heiße Elia.« Anschließend mit JensArne: »Auf deine schöne Tochter und dich! Ich finde, ihr seht euch ähnlich.« Beide runzelten die Augenbrauen, verwundert und misstrauisch. Elia lachte, aber sie erklärte nichts. Genau das hatte sie gemeint, nicht das Aussehen war es, zumindest nicht auf den ersten Blick, etwas anderes verband diese beiden: der gleiche ablehnende Gesichtsausdruck, sogar die schiefe Kopfhaltung, die hochgezogenen Schultern. Bei einem so jungen Mädchen fiel das auf, es passte nicht zu dem lieben, hübschen Gesichtchen, den blauen Augen, den blonden Locken.
Elia fragte Sisi alles Mögliche. Sie ging noch in die Schule, Sprachen mochte sie, Sport, Handarbeiten, zu Hause hatte sie zwei Katzen, die wurden heiß geliebt.
»Ja, und die Musik?«, wollte Elia wissen.
»Ach, ich sing im Chor und spiel Geige im Schulorchester«, murmelte Sisi verlegen, es war ihr offenbar peinlich, vor dem Vater darüber zu sprechen.
»Weißt du was?«, sagte Elia, um abzulenken. »Wenn du magst und Zeit hast, lade ich dich für morgen Abend in die Oper ein. Hol mich eineinhalb Stunden vorher hier ab, ich mach dich mit Fulvio bekannt, der gibt dir eine Eintrittskarte und kann dich noch im Haus herumführen. Und wenn dir die Aufführung gefallen hat, kommst du anschließend zu mir in die Garderobe. Was hältst du davon?« Sisi strahlte, richtig süß sah sie plötzlich aus.
»Eine nette Idee. Ich habe leider überhaupt keine Zeit, das ist eben bei Plattenaufnahmen so«, räumte Jens Arne gnädig ein. Zum Abschied steckte er seiner Tochter ein paar Geldscheine in die Tasche: »Nimm ein Taxi, es ist schon spät.« Er küsste sie kurz links und rechts auf die Backen und klopfte ihr auf die Schulter: »Grüß deine Mutter. Wenn ich mehr Zeit habe, besuche ich euch mal.« Während Elia Sisi schwungvoll in den Arm nahm, schaute er auf die Uhr und drückte auf den Fahrstuhlknopf.
Elia und Jens Arne bewohnten im »Sacher« ein riesiges, düsteres Gemach mit mächtigen Truhen, Schränken und Sesselnund einem Tisch, an dem König Artus samt seiner Tafelrunde Platz gefunden hätte. Dazu zwei gewaltige Himmelbetten aus nachtschwarzem Holz. Jens Arne gab Elia den üblichen Gutenachtkuss und verkroch sich in sein Bett. Elia ging noch ins Bad, um sich abzuschminken. Dann kletterte sie in ihr Bett, das so hoch war, dass sie dazu einen Fußschemel brauchte. Dabei knurrte sie: »Du hättest mir schon sagen können, dass du in Wien eine Tochter hast.« Jens Arne gab keine Antwort, vielleicht schlief er schon.
Von Rudi, dem Sohn, erfuhr sie erst am folgenden Abend. Kurz nach dem letzten Vorhang, Elia war kaum in ihrer Garderobe angelangt, klopfte es an ihre Tür. Es war Sisi, vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen: »Sagenhaft, einfach phantastisch, alles, die ganze Oper, und um Sie, entschuldige, um dich, um deine Susanna, hat sich alles gedreht. Aber du warst ja auch toll.«
Elia lachte geschmeichelt: »Das freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. Du gehst sicher oft in die Oper und kennst dich gut aus.«
Sisi zuckte die Achseln: »Von wegen, man kriegt so schwer Karten, und teuer sind sie auch. Na ja, manchmal auf dem Stehplatz, aber da ist man so weit weg.«
»Ja, und Freikarten, das kann doch für dich nicht schwer sein, bei deinem Vater«, wunderte sich Elia.
Sisi machte eine resignierte
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