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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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keinen Pieps die nächsten Tage, das ist alles, was Sie brauchen. Ach ja, wenn Sie Hunger haben, eine Hühnerbrühe dürfen Sie schon noch essen.«
    Professor Bernini brachte die Damen zum Wagen. Als Astrid wieder im Fond saß, beugte er sich noch einmal zu ihr hinunter, strich ihr kurz über die Haare wie einem kleinen Kind und sagte ganz sanft: »Gute Nacht, träumen Sie was Schönes im guten, alten Rom. In zwei, drei Tagen sind Sie bei den Proben wieder dabei.«
    Während Astrid im Hotel ihrer Genesung entgegenschwitzte, verzehrten Mariana und Professor Bernini wohlgemut Nudeln bei »Alfredo«, samt Vor- und Nachspeise und einem köstlichen Wein. Dabei stellten sie fest, dass sie einen ganz ähnlichen Sinn für Humor hatten – was bei den grundverschiedenen Nationalitäten gar keine Selbstverständlichkeit war. Überhaupt schien es viele Gemeinsamkeiten zu geben. Professor Bernini, ein sympathischer, quirliger Römer mit einem scharfen Vogelgesicht, erwies sich als großer Musik- und Opernliebhaber. Durch seinen Beruf hatte er viel mit Sängern zu tun, er bewunderte sie und war mit vielen gut befreundet. »Von allen Künstlern sind mir die Musiker am liebsten, und da wiederum die Sänger«, meinte er. »Alle anderen, die Maler, Schauspieler, Tänzer, müssen einem immer wieder beweisen, wie toll und einmalig sie sind. Bei euch Sängern ist das viel leichter nachweisbar, geradezu messbar, ich spreche jetzt nicht vom hohen C. Drum seid ihr auch ausgeglichener, nicht so aggressiv. Warum immer von den zickigen Primadonnen geredet wird, ist mir schleierhaft – wenn ich da nur an meinen eigenen Berufsstand denke, was gibt es da für eitle, aufgeblasene Affen! Aber die Angst um die Stimme macht manchmal nervös, darum bin ich so zufrieden, wenn ich wieder eine von diesen heiklen, edlen Gurgeln aufpolierenund schmieren kann. Da fühle ich mich wie ein Handwerker, der gute Arbeit macht.« – »Gesang ist in weiten Teilen nichts als Handwerk. Aber das ist das Gute daran, das kann man lernen, da muss man einfach arbeiten und fleißig sein. Der Rest, na ja . . .«, pflichtete Mariana ihm bei. »So ist das wahrscheinlich bei allem. Ich nehme an, ein hervorragender Straßenkehrer schwingt seinen Besen auch leichter und eleganter als seine lustlosen Kollegen«, erwiderte der Professor. Es kam ihnen so vor, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Dabei waren es erst drei Stunden. Beim Abschied, unter den irritierten Blicken des würdevollen Hotelportiers, kicherten sie wie zwei Schulkinder. Am nächsten Tag allerdings, als sie sich noch einmal sahen, waren sie beide richtig aufgeregt und befangen. Darum gaben sie sich beim erneuten Abschied ganz besonders förmlich die Hand.
    Obwohl Astrid, wie prophezeit, rasch ihre Stimme wiederfand, bestand Doktor Bernini auf einer gründlichen Nachuntersuchung in seiner Praxis. Höchst erleichtert über den geretteten Premierentermin entsandte die Oper des Teatro di San Carlo ihre beiden Hauptdarstellerinnen noch einmal per Luxuskarosse nach Rom, wo Professor Bernini wieder ausführlich Astrids Kehle untersuchte und allerhand aufbauende Spritzen und Pulver verabreichte. Dann lud er die beiden Damen in ein altrömisches Lokal in der Nähe des Teatro di Marcello zu einem wunderbar bodenständigen Essen ein, das er nach einem genüsslichen Palaver mit dem Oberkellner, unter Einbeziehung eventueller Sonderwünsche seiner Gäste, zusammengestellt hatte: »Damit Sie nicht denken, wir Italiener essen immer nur Spaghetti.« Er war ein liebenswürdiger, aufmerksamer Gastgeber, ab und zu nickte er Astrid, die der Stimme zuliebe nicht viel sagte, freundlich zu: »Alles in Ordnung, alles in Ordnung.« Mariana schaute er seltener an und blickte dann gleich wieder weg. Auch sie ging mehr auf die Freundin ein. Drei artige, sympathische Menschen.
    Auf der Heimfahrt nach Neapel kuschelte sich Mariana anihre Freundin Astrid. Eine ganze Weile schwieg sie. Schließlich tat sie eine tiefen Seufzer. In den letzten Probenwochen kam Professor Bernini, oder eben Pietro, wie ihn Mariana und Astrid jetzt nannten, noch zweimal auf einen Sprung nach Neapel. »Zur Nachbehandlung«, wie er sagte.
    Die Premiere riss die Neapolitaner zu Begeisterungsstürmen hin, auch in der Presse wurden alle Beteiligten bejubelt, die Sänger, der Regisseur, der Kostüm- und Bühnenbildner, der Dirigent, der Chor, die Tänzer, sogar die niedlichen kleinen Mohrensklaven (deren Verwandtschaft die oberen Ränge halb füllte). Aber am

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