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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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Essen fand in der Stockholmer Oper statt. Am Tag zuvor hatten Astrid und Mariana die ›Aida‹ gesungen, unter der Leitung von Marcello Rainardi und mit der neapolitanischen Originalbesetzung.
    Die Heirat änderte an Marianas und Pietros Lebensstil nicht viel. Auch jetzt versuchten sie nicht, einen gemeinsamen Hausstand zu gründen. Immerhin planten sie noch sorgfältigerals vorher ihre Termine und trafen sich irgendwo auf der Welt. Das ließ sich umso besser bewerkstelligen, als sich alle Opernintendanten selig priesen, wenn Professor Bernini bei ihnen zu Gast weilte. Allein seine Anwesenheit genügte, und schon sangen die nervösesten, zickigsten Stars beschwingt und munter.
    Pietro plauderte niemals Krankengeschichten aus. Er sagte höchstens Allgemeines: »Die Seele sitzt in der Gurgel. Da kommen sie zu mir wegen Halsbeschwerden, in Wirklichkeit haben sie einen bösen Ehepartner oder Streit mit dem Dirigenten. Ich pinsele ihnen trotzdem den Hals aus, spreche mit ihnen – und höre ihnen zu. Kummer, den man runterschluckt, schnürt die Kehle zu.« Mariana gab ihm recht: »Traurige Vögel singen nicht.«

Zwei der lustigsten Produktionen, die Mariana jemals erlebte, fanden in München statt. ›Figaros Hochzeit‹ und ›Der Rosenkavalier‹. Endlich war das »Trio Infernal«, Mariana, Astrid und Erna, wieder vereint. Die freuten sich darüber wie die Kinder. Der Einfall stammte von Björn Eksell, Marianas Jugendfreund aus Göteborg, der sich inzwischen vom Laufburschen zum Oberspielleiter gemausert hatte. Als Dirigenten hatte er noch einen Schweden engagiert, Jens Arne Holsteen, den ehemaligen zweiten Göteborger Kapellmeister. Der war noch keine dreißig, für einen Dirigenten also immer noch fast ein Wunderkind, aber schon mit einem umfangreichen Repertoire ausgestattet und bereits ziemlich bekannt. Nicht nur als spannender, ausgesprochen herrischer, pingeliger Dirigent mit gelegentlichen Wutausbrüchen, sondern auch als verwegener Sportler. Zusammen mit einem knorrigen Bergführer erklomm er die steilsten Bergwände oder donnerte mit seinem Rennwagen über glühend heiße Wüstenpisten, Hauptsache, es war gefährlich. Zudem hatte er einen etwas zweifelhaften Ruf als Frauenheld. Aber sehr viel Glück schien er auf Dauer bei den Frauen nicht zu haben – oder sie nicht bei ihm.
    »Ich weiß nicht so recht, so wie du ihn von damals schilderst, als er noch so schrecklich schüchtern war, vielleicht war er da netter«, meinte Erna mäßig begeistert nach dem ersten Treffen. »Na ja, arrogant ist er noch immer. Dann knöpfen wir uns den Knaben halt mal vor«, tröstete sie Astrid.
    Jens Arne Holsteen war gewitzt genug, sich nicht mit dem brillanten »Trio Infernal« anzulegen, im Gegenteil, er hofierte die drei Damen, und bei der flotten Astrid hatte er wirklich Feuer gefangen.
    »Ein ziemlich raffinierter Bursche«, sagte Astrid anerkennend zu Erna. »Aber leider sind wir auch ziemlich raffiniert. Auf die Masche vom schwermütigen, schwierigen Nordländer fallen wir schon lange nicht mehr herein, auch der Sportskamerad zieht nicht und nicht der elegante Mann von Welt. Zudem: Auf Schweden stehe ich sowieso nicht. Außerdem bin ich ja in festen Händen und noch nicht lebensmüde.«
    Erna kicherte. »Wir sollten es halten wie die Rheintöchter mit Alberich, nur etwas geschickter: Wir werden ihm schöntun, ihn umgarnen, ihn flattieren, bis er nicht mehr weiß, ob er Männchen oder Weibchen ist. Und dann lassen wir ihn stehen und lachen ihn aus. Die Blamage wird den eitlen Burschen treffen.«
    Als sie Björn Eksell von ihrem Plan erzählten, meinte der nur: »Vielleicht gibt eure kleine Lektion unserem Unterfangen noch den letzten Kick. Sie passt gut zu den beiden Stücken. Da wird auch viel geschwindelt und den Männern ziemlich übel mitgespielt. Aber ölt eure Gurgeln. Damit er sich nicht an euch rächen kann als Dirigent.«
    Das Ergebnis gab ihm recht. Die Klangfülle, der Schmelz der drei Frauenstimmen harmonierten, die gemeinsame Stimmkultur, die Herkunft aus dem gleichen Stall, fiel auf. Drei junge Frauen standen da auf der Bühne, ihre Stimmen waren voll erblüht, aber noch ganz jugendfrisch. Sie galten allesamt als exzellente Sängerdarstellerinnen, aber weil sie sich kannten und einander vertrauten, entstand zwischen den Figureneine ungewohnt intime Schwingung, eine subtile Erotik. Jens Arne, der bald gemerkt hatte, dass die drei Damen etwas gegen ihn im Schilde führten, ließ sich von ihnen mitreißen –

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