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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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überschwänglichsten schwärmten die Zeitungen von den »makellosen Verdi-Stimmen der zwei Schwedinnen«.
    Schon während der Probenzeit waren Berichte über die beiden erschienen, dass sie zusammen studiert hätten, innige Freundinnen seien. Sogar die Geschichte von den »Drei Musketierinnen« hatte jemand ausgegraben: »Wo ist die Dritte?«, hieß es. Die Begeisterung war herzlich und echt. Neapel feierte zwei neue Heldinnen!
    Auch Pietro war zur Premiere erschienen. Bevor er am nächsten Tag wieder heimfuhr, machten Mariana und er einen Spaziergang am Meer. Er wirkte etwas konfus, schließlich stammelte er: »Ich hab dich vor der Premiere nicht aufscheuchen wollen. Kurzum: Willst du mich heiraten?« Mariana war so überrascht, dass sie auf der Stelle »Ja« sagte. Dann, nach einer Weile, fragte sie erschreckt: »Oder bist du vielleicht Neapolitaner?« – »O nein, nur das nicht. Ich bin Römer, seit einigen tausend Jahren, wenn du so willst.«
    Erst jetzt merkten sie beide, dass sie sich noch nicht einmal richtig geküsst hatten. Sie hatten sich immer nur angeschaut und nur ein paarmal wie zufällig angefasst. Nun standen sie sich gegenüber, und wenn sie sich jetzt angefasst hätten, hätte es Funken geschlagen. »Sind wir jetzt verlobt? Aber ich glaube, in Neapel küsst man sich auch dann nicht auf der Straße«, sagte Pietro leise.

    Später musste Mariana über sich selbst lachen: Da war sie jahrelang vor jedem Mann davongelaufen, der auch nur im Entferntesten Heiratsabsichten zu hegen schien, zumindest hatte sie es einzurichten gewusst, dass ihre Verehrer gar keine Gelegenheit fanden, die fatalen Worte auszusprechen. Da sie nicht heiraten wollte, hätte sie mit »Nein« antworten müssen, und das hörte niemand gern.
    Und nun machte ihr ein fast Unbekannter einen Heiratsantrag – und sie willigte ein, einfach so, Hals über Kopf. Mehr als sonderbar! Oder war es gar Torschlusspanik? In ihrem Alter, mit knapp über dreißig, galt man als überfällig. Aber Mariana hätte schwören können, dass sie noch nie ans Heiraten gedacht hatte. Dafür fand sie ihr Leben viel zu spannend. Einen schöneren Beruf als den ihren konnte sie sich gar nicht vorstellen, sie reiste in der ganzen Welt herum, schon jetzt gab es Verpflichtungen für die nächsten Jahre. Wie sollte sie das mit einer Ehe verbinden?
    Hatte die rasende Liebe zu Pietro ihren Verstand getrübt, zumindest zeitweilig? Sie fand ihn hinreißend, sie war ernstlich verliebt, aber zu mehr war es – so aus der Ferne – noch nicht gekommen. Änderte man dafür sein Leben? Doch ganz so kopflos und unverständlich, wie es scheinen mochte, war Marianas Entschluss nicht. Sie hatte nämlich in Pietro den Artgenossen erkannt. Und zwar auf der beruflichen Ebene: den kundigen, ernsthaften, arbeitsamen Fachmann, der sich, wenn es darauf ankam, wirklich engagierte. Zu ihm eilten Patienten aus der ganzen Welt, ständig forschte er weiter, für ihn gab es keine Routine, er wollte der Beste sein, aber nicht aus Eitelkeit, sondern um den Menschen helfen zu können. Daneben, und das hatte für Mariana den Ausschlag gegeben, war er kein vertrockneter, ausschließlich auf seine Arbeit fixierter Spezialist, sondern ein lebenslustiger, herzlicher Mensch. Nach dieser Mischung hatte sie wahrscheinlich, ohne es zu wissen, gesucht.
    Bis zur Hochzeit dauerte es noch eine Weile, dafür hattensie einfach zu viel zu tun. »Mein zweites Jawort gebe ich dir nicht mehr so en passant, sonst heißt es eines Tages, ich hätte mich dir an den Hals geschmissen«, erklärte Mariana lachend. Doch besuchten sie sich, so oft sie konnten. Meist kam Pietro. Als Mariana in Bayreuth probte und sang, legte er seine Ferien so, dass sie zum ersten Mal ein paar Wochen zusammen verbringen konnten. Die Floßhilde gehörte der Vergangenheit an, neben der Waltraute sang Mariana jetzt auch die Brangäne.
    Eingehüllt in die Tristan-Musik fühlten sich Mariana und Pietro immer tiefer verbunden. Die strahlend grüne, hügelige Landschaft ließ sie eine gemeinsame Leidenschaft entdecken, von der zumindest Pietro bis dahin noch nichts gewusst hatte: das Wandern. Wenn Mariana frei hatte, schnürten sie ihre Wanderschuhe und zogen los. »Hier ist der Wagner auch überall herumgelaufen. Siehst du dort die Drachenhöhle? Und da den Walkürenfelsen.« Irgendwann endete der Ausflug in einer gemütlichen Gastwirtschaft, bei Bratwürsten, Knödeln und Bier.
    In Bayreuth lernte Pietro auch Birgit kennen. Birgit hatte von

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