Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
strampelnden Unterkörper und seine Beine auf die Matratze und hielt sie wie mit einer eisernen Klammer fest.
    »Mylord, Ihr müsst Eure Medizin nehmen«, sagte Harris und näherte sich mit einem Becher Murdochs Mund. Dessen Kopf war in einer Art Drahtgestell, das sich über den Hals bis zur Mitte der Brust hinunterzog, festgeschraubt. Murdochs Oberarme und Handgelenke waren mit dicken Lederriemen an den Bettrahmen gefesselt. »Mylord, es war nur ein Traum! Ihr seid in Sicherheit«, versuchte Harris seinen Herrn zu beruhigen.
    Langsam gingen Murdochs Schreie in Gewimmer über. Mit weit aufgerissenen Augenhöhlen, in denen sich keine Augäpfel mehr befanden, starrte er zur Decke. Seine verzweifelten Bewegungen verebbten, und Joshua wagte es, den Griff zu lockern. Er überprüfte die Fesseln und zog sie wieder stramm.
    »Warte, bis er schläft«, flüsterte Harris und flößte Murdoch langsam das Opium ein. Auf Grund des bitteren, etwas scharfen Geschmacks verzog Murdoch das Gesicht, schluckte aber gehorsam. Das Rauschmittel wirkte binnen weniger Minuten. Murdochs Atem wurde ruhiger, die Lider senkten sich über die grässlichen Höhlen, und Harris atmete auf. Obwohl Clifford Murdoch seinen Kammerdiener oft unfreundlich und barsch behandelt hatte, blickte Harris voller Mitgefühl auf seinen Herrn. Das Drahtgestell sah grotesk aus, beinahe wie ein mittelalterlicher Kopfpranger, es war aber die einzige Möglichkeit, Murdochs Kopf ruhig zu halten, wenn er nicht unter dem Einfluss des Opiums stand. Drei Wochen lag der Lord nun schon so da. Am Anfang war Doktor Bellamy täglich gekommen, hatte Murdochs Wunde versorgt, und alle im Haus hatten auf seinen Tod gewartet. Murdoch starb jedoch nicht, er klammerte sich mit aller Macht an das Leben, dass nun keines mehr für ihn war. Clifford Murdoch war schon immer ein Mann gewesen, der es hasste, wenn jemand ihm etwas zu verschweigen versuchte. So sprach Bellamy ganz offen mit ihm und offenbarte ihm schonungslos die Wahrheit. Doch Murdoch wäre nicht er selbst gewesen, wenn er die Tatsachen widerspruchslos akzeptiert hätte.
    »Das ist Humbug, was ihr Quacksalber da sagt«, hatte er gebrüllt. »Ich mag vielleicht blind sein, aber ich fühle mich gut und lasse mich keinesfalls wie einen räudigen Hund festbinden!«
    »Es ist die einzige Möglichkeit, Euer Leben zu erhalten, Mylord.«
    »Ach, papperlapapp! In ein paar Tagen werde ich aufstehen können und dann finde ich diesen Dichter und bringe ihn zur Strecke. Das schwöre ich, so wahr wie ich Clifford Murdoch heiße!«
    Murdochs Überzeugung, er würde wieder gesund werden, hatte nur wenige Stunden angedauert, bis er von großen Qualen zur Bewegungslosigkeit verdammt wurde. Seitdem lag er da, und die schmerzfreien Abstände verringerten sich täglich. Einzig das Opium, von dem Doktor Bellamy jede Woche eine neue Flasche brachte, schenkte ihm eine gewisse Erleichterung, und so dämmerte Clifford Murdoch vor sich hin.
    N ach außen hin teilte Maureen die allgemeine Erleichterung, dass Murdoch überlebt hatte, niemand ahnte jedoch ihre wahren Beweggründe. Seit drei Tagen schlich sie auf dem Korridor vor seinem Zimmer umher und hoffte auf eine Gelegenheit, ungesehen in sein Zimmer huschen zu können. Der finstere Joshua mit seinem stupiden Blick war allgegenwärtig, meistens befand sich auch Harris in Murdochs Zimmer. Gestern hatte der Kammerdiener sie gefragt, was sie auf diesem Stockwerk zu suchen hatte, denn die Kinderzimmer lagen im Ostflügel des dritten Stockes. Auch heute schien es keine Möglichkeit zu geben, ungesehen zu Murdoch zu gelangen. Mit einem Seufzer ging Maureen in Louisas Räume, in denen sie die Kinder wusste. Lady Brandon, Louisas Mutter, saß mit einer Stickarbeit im Schoß im Sessel, Louisa selbst blass, aber aufrecht, in ihrem Bett, den Rücken mit mehreren bestickten Kissen gestützt. In ihrem linken Arm schlief der kleine Edmund, während Susan am Fuß des Bettes saß und stumm die Mutter anstarrte. Als Maureen eintrat, sprang das Mädchen auf, lief ihr entgegen und klammerte sich an ihre Röcke.
    »Mrs Mowat, können wir in den Garten zum Spielen gehen?«
    Maureen strich ihr über den Kopf und murmelte:
    »Später, meine Kleine, wenn es aufgehört hat zu regnen.«
    Zwei Tage nach den Vorfällen war Lady Brandon, die von Golham unverzüglich informiert worden war, mit einer Kutsche voller Gepäck angereist und hatte unmissverständlich klargemacht, sie würde nur in Begleitung ihrer Tochter Murdoch Hall

Weitere Kostenlose Bücher