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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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die Faust mitten ins Gesicht. Wie ein gefällter Baum ging Burns zu Boden, aus einer Platzwunde unter dem linken Auge sickerte Blut.
    »In meinem Haus brauche ich mir eine derartige Beleidigung nicht gefallen zu lassen!«, brüllte Murdoch und trat dem Poeten die Stiefelspitze in die Seite. »Nicht nur, dass Sie meiner Frau nachstellen, nun gefährden Sie auch noch die Gesundheit meines ungeborenen Kindes. Ein Duell ist nicht genug für eine solche Demütigung.« Murdoch stürmte zurück in die Bibliothek und entnahm der Schreibtischschublade eine Pistole. »Dafür bringe ich Sie um!«
    »Sir!« Golham wagte es, sich dem tobenden Mann in den Weg zu stellen, aber Murdoch stieß ihn wie ein lästiges Insekt zur Seite. Zu Maureens Erstaunen rappelte Burns sich auf die Füße, wischte sich das Blut aus dem Gesicht, verharrte aber auf der Stelle. Warum floh er nicht? Es waren nur wenige Schritte bis zur Tür, und er war flink und wendig. Er könnte es schaffen, Murdoch zu entkommen. Burns tat aber nichts, sondern sagte nur ruhig:
    »Wenn Sie mir auch eine Waffe geben würden, Mylord? Dann können wir es gleich hier austragen.«
    Murdoch, dem inzwischen der Speichel aus den Mundwinkeln tropfte, hatte kein Interesse an einem Duell. Mit Mordlust in den Augen stürzte er sich mit der Waffe auf Burns, der in letzter Sekunde zur Seite sprang. Ein Schuss löste sich, und die Kugel schlug nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf in die Wand.
    »Ich werde zeigen, was es heißt, einen Clifford Murdoch zu betrügen!«
    Endlich schien Robert Burns den Ernst der Lage zu erkennen. Er versuchte, an Murdoch vorbei zur Tür zu gelangen, kaum war er aber auf dessen Höhe, brachte Murdoch ihn mit einem gezielten
Tritt zwischen die Beine zu Fall. Während Burns sich vor Schmerzen am Boden krümmte, lief Murdoch in die Bibliothek zurück und lud hastig eine neue Kugel und Pulver in die Pistole. Der Butler wagte mit schweißnasser Stirn einen erneuten Versuch, seinen Herrn zu beruhigen: »Mylord, lasst ihn gehen! Versündigt Euch nicht!«
    »Zum Teufel mit dir!«, fauchte Murdoch. »Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten.«
    Robert Burns lag immer noch am Boden, als Murdoch in die Halle zurückkehrte. Er trat neben den Poeten und setzte ihm die Pistole direkt an die Schläfe. Maureen konnte bereits das Klicken des Hahnes hören. Ihr ganzer Körper war wie gelähmt, sie war unfähig, in das schreckliche Geschehen einzugreifen. Das hatte sie nicht gewollt! Nicht, dass ein Unschuldiger starb, weil ihr Plan voller Fehler gewesen war.
    Burns hatte noch nicht aufgeben. Blitzschnell umklammerte er Murdochs Knie und brachte ihn damit zu Fall. Die beiden Männer wälzten sich in enger Umklammerung auf dem Boden und stießen gegen eine Anrichte. Eine Vase fiel klirrend zu Boden und zersprang in tausend Stücke. Dann krachte ein Schuss. Für eine bange Sekunde, die allen Anwesenden wie ein Stunde erschien, rührte sich keiner der beiden Männer, schließlich richtete sich Burns sehr langsam auf die Knie auf. Sein Gesicht und Hals waren blutverschmiert, Maureen erkannte jedoch, dass es nicht sein Blut war. Robert Burns war unverletzt. Maureen und die anderen starrten auf den reglosen Murdoch, dessen Kopf eine einzige blutende Wunde war.
    D er Sturm peitschte um das Haus, trieb den Regen waagerecht an die Fensterscheiben, und kein Mondschein erhellte die finstere Nacht. In der Küche war es totenstill, einzig das regelmäßige Ticken der Uhr auf dem Sims des Herdes gab den Schweigenden die Gewissheit der verrinnenden Stunden, ohne dass ein Laut aus den oberen Stockwerken in den Dienstbotentrakt drang. Ausgenommen den Kindern, die von den Vorfällen nichts mitbekommen hatten, schlief in dieser Nacht niemand auf Murdoch Hall. Maureen saß still in einer Ecke. Nach dem Eintreffen von Doktor Bellamy, der sich sofort um den noch lebenden Murdoch gekümmert und ihn zusammen mit dem Butler und dem Kammerdiener in sein Zimmer getragen hatte, war sie von der Hebamme zu Louisa gerufen worden.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, hatte die resolute, ältere Frau gesagt.
    Gemeinsam hatten sie Leintücher in Streifen gerissen, diese mit Wasser gekühlt und auf Louisas Bauch und zwischen ihre Beine gelegt. Immer wieder tastete Maureen nach ihrem Puls, der schwach, aber zum Glück regelmäßig schlug. Vorsichtig tastete die Hebamme Louisas Körper ab und flößte der halb bewusstlosen Louisa einen Trank ein. Erst nach drei Stunden stieß die Hebamme einen erschöpften

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