Im Schatten der Vergeltung
anmerken zu lassen, fragte sie: »Standet Ihr nach Eurer Rückkehr in die Stadt in weiterem Kontakt zu der Familie? Ist Euch über den Gesundheitszustand der erwähnten jungen Dame etwas bekannt?«
Das Ehepaar wechselte einen Blick.
»Bedauerlicherweise nicht. Ihr wisst, Lady Sybil, wie viele Verpflichtungen wir in London haben. Sir Trenance begegnete uns jedoch mit einer solchen Freundlichkeit, dass ich es begrüßen würde, die Bekanntschaft zu vertiefen. Gleich morgen werden wir ihm einen ausführlichen Brief schreiben und um Rückantwort bitten, wie es seiner Tochter geht. Es wäre bedauerlich, wenn ein so junges Leben vorzeitig ausgelöscht wäre.«
»Du übertreibst, meine Liebe«, sagte Lord Darlington. »Siehst du nicht, wie Lady Sybil sich die Geschichte zu Herzen nimmt? Lady Sybil, fühlt Ihr Euch unwohl? Ihr seid ja ganz blass.«
»Es ist … nichts … Ich habe nur etwas zu viel gegessen.«
Es schien Maureen, dass sie jedes Wort hervorwürgen musste. Reiß dich zusammen!, rief sie sich zurecht. Der Schmerz in ihrem Magen wurde so heftig, dass sie sich am liebsten gekrümmt hätte, sie schaffte es jedoch ihre Beschwerden zu verbergen.
»Ich bin sicher, nur die Trauer um den Tod der Mutter ließ Frederica kränkeln und sie leidet unter keiner ernsthaften Krankheit«, sagte sie leise.
Lady Darlington sah Maureen überrascht an.
»Mein Gedächtnis scheint mich wirklich immer mehr im Stich zu lassen, die Tochter hieß aber in der Tat Frederica. Ich kann mich aber nicht erinnern, im Gespräch eben den Namen der jungen Dame erwähnt zu haben.«
Maureen wurde noch blasser. Wie hatte ihr ein solcher Fehler passieren können!
»Lady Darlington, bei allem Respekt, Ihr müsst den Namen genannt habe. Woher sonst sollte ich ihn kennen?«, sagte sie hastig, und befürchtete, sich nicht länger verstellen zu können.
»Der Name Frederica wurde tatsächlich nicht erwähnt.« Kühl und überlegen mischte Willard Foster sich in das Gespräch. Er sah Maureen fragend an. »Seid Ihr doch schon in Cornwall gewesen oder habt von der betreffenden Familie gehört?«
Verzweifelt suchte Maureen nach einer plausiblen Erklärung. Der Patzer war unverzeihlich! Zu ihrer Erleichterung ergriff Lady Weston nun das Wort.
»Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Ich selbst erinnere mich gut daran, als die Times über den tragischen Tod von Lady Maureen Trenance berichtet hat, schließlich handelt es sich bei Sir Philipp Trenance um eine bekannte Persönlichkeit. Ihm wurde neulich ein Amt als Parlamentsabgeordneter angeboten, das er bedauerlicherweise ablehnte. Lady Sybil, bestimmt ist Euch der Name ebenfalls aus der Zeitung bekannt.«
Maureen schenkte Lady Weston einen dankbaren Blick, bevor sie aber etwas sagen konnte, warf Lady Darlington, von Lady Westons Erklärung keineswegs überzeugt ein: »Der Trauerfall liegt fast ein Jahr zurück, meine Liebe! Da weilte Lady Sybil noch in Irland.« Ihre engstehenden Augen fixierten Maureen lauernd. »Ich glaube kaum, dass die irische Presse über Vorgänge, die in Cornwall geschehen sind, berichtet hat.«
»Ausschließen könnt Ihr es aber nicht«, sagte Lady Weston.
Willard Foster nahm Maureens Arm. »Lassen wir es darauf beruhen.« Er verneigte sich leicht vor den Damen. »Wie ich sehe, erweist sich Miss Loraine die Ehre einer Darbietung. Wir sollten zu unseren Plätzen zurückkehren.«
Hätte jemand Maureen vor ein paar Stunden gesagt, sie wäre eines Tages Willard Foster dankbar, dann hätte sie diesen als verrückt erklärt. Jetzt legte sie aber nur stumm ihre Hand auf seinen Ärmel und ließ sich zu ihrem Platz zurückbegleiten. Während des nächsten Liedes, von dem Maureen weder Text noch Melodie mitbekam, bemerkte sie, wie Foster sie immer wieder verstohlen von der Seite musterte. Nachdem der offizielle Teil des Abends beendet war, entschuldigte sie sich bei Lady Weston mit plötzlich aufgetretenen Kopfschmerzen und starker Übelkeit. Das letztere war nicht einmal eine Ausrede, denn ihre Magenschmerzen hielten unvermindert an. Beim Hinausgehen sah sie, wie Willard Foster ihr erneut mit nachdenklichem Blick hinterherschaute.
I m Palast wurde sie von der geduldigen Monja erwartet. Mit barschen Worten, die sonst nicht ihre Art waren, schickte Maureen die Zofe zu Bett. Sie konnte jetzt niemanden um sich herum ertragen. Monja murmelte ein paar unverständliche Worte, dann war Maureen allein und konnte die Maske endlich fallen lassen. Ihre Knie zitterten und sie konnte sich
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