Im Schatten der Vergeltung
Moment war es aber wieder entschwunden. Es hatte in Fosters Leben viele Frauen gegeben. Manchmal nur für eine Nacht oder für wenige Stunden. Nervös trommelten seine Fingerspitzen auf der glatten Oberfläche des Tisches. Es hatte keinen Sinn, sich weiter den Kopf zu zerbrechen. Die Arbeit wartete auf ihn. Seufzend griff er nach den Unterlagen, um sich wieder der Milchwirtschaft Islingtons zu widmen. Dabei merkte Willard Foster nicht, dass eine Seite, die seine Unterschrift trug, in dem Stapel fehlte.
I n der Mietdroschke, die sie zu Fosters Haus gebracht hatte, presste Maureen das Schriftstück an ihr pochendes Herz. Sie hatte es tatsächlich getan! Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie etwas an sich genommen, das nicht ihr eigen war.
»Nenn es ruhig stehlen«, flüsterte sie.
Sie war nicht mit dem Vorsatz zu Foster gegangen, einen Brief zu entwenden, als sie aber die Unterlagen auf dem Tisch gesehen hatte, war ihr plötzlich die Idee gekommen, wie sie Foster beim König endgültig in Misskredit bringen konnte. Stöhnend lehnte Maureen sich in die harten, abgewetzten Polster zurück. Der Druck in ihrem Magen, der seit Wochen wie in Klumpen in ihrem Bauch lag, verstärkte sich. Vielleicht sollte sie einen Arzt aufsuchen?
»Jetzt nicht, erst muss diese Sache zu Ende gebracht werden«, sagte sie zu sich selbst. »Bevor mich der Mut dazu verlässt.«
15. Kapitel
London, Februar 1782
L angsam führte Maureen die Tasse zum Mund und nippte an dem heißen Tee. Scheinbar interessiert ließ sie den neuesten Klatsch, den Lady Weston über eine ihr völlig unbekannte Familie zum Besten gab, über sich ergehen.
»Ihr müsst Euch vorstellen, was das für den Viscount bedeutet!«, rief Lady Weston und fuchtelte mit beiden Händen durch die Luft. »Die Verlobung war so gut wie ausgemacht, und dann brennt sein einziger Sohn und Erbe mit einer Schauspielerin durch.«
»Schockierend!«, beeilte sich Lady Darlington mit Kuchenkrümmeln in den Mundwinkeln zu rufen. »Lady Sybil, Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr keine Kinder habt. Dadurch bleiben Euch viele Sorgen erspart.«
Maureen schluckte. Die quälende Sorge um Frederica war nicht von ihr gewichen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und nahm einen weiteren Schluck. Bald würde sie ihre Mission in London erfüllt haben, die Stadt für immer verlassen und die beiden Frauen niemals wiedersehen.
»... Somit scheint es der Kleinen also sehr viel besser zu gehen«, hörte sie Lady Darlington sagen, ohne ihren Worten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Erst als die Dame sie am Oberarm anstieß, sah Maureen sie an.
»Wie bitte? Verzeiht, aber ich war in Gedanken versunken.«
Lady Darlington zog beleidigt die Mundwinkel herunter.
»Und ich dachte, es würde Euch freuen, die guten Nachrichten zu hören, wo Ihr erst kürzlich noch großes Interesse an dem fremden Mädchen gezeigt habt.«
»Von wem sprecht Ihr?«, mischte sich Lady Weston ein, die es nicht mochte, wenn man in ihrer Gegenwart über Menschen gesprochen wurde, die sie nicht kannte.
Maureen beschlich ein Verdacht. »Habt Ihr Nachricht von Eurem Freund Trenance aus Cornwall?«, fragte sie und versuchte, sich ihr Interesse nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Lady Darlington war immer noch indigniert.
»Ja, wir haben geschrieben und mein Gatte erhielt vor wenigen Tagen einen Brief. In knappen Worten teilt Sir Trenance mit, seine Tochter habe sich verlobt und werde demnächst heiraten. Daraus schließe ich, dass das Kind seine Krankheit überwunden hat und es ihr gut geht.«
»Heiraten?« Maureens Kehle fühlte sich wie ausgedörrt an. »Mit wem wird sie denn vermählt?« Großer Gott! Lasse es nicht Linnley sein, betete sie still, die nächsten Worte Lady Darlingtons brachten ihre Nerven jedoch zum Flattern.
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte sie vorwurfsvoll. »Trenance nennt keinen Namen. Euer Interesse für die Familie, die Ihr nicht zu kennen vorgebt, ist wirklich sehr groß. Er schreibt nur, dass sein künftiger Schwiegersohn aus der Nachbarschaft stammt und sich die beiden seit den Kindertagen kennen. Trenance begrüßt die Verbindung sehr, offenbar ist der Bräutigam eine gute Partie für das Mädchen.«
Mit einem scharfen Laut zog Maureen die Luft ein und stellte ihre Tasse so heftig auf den Tisch, dass der Rest Tee in den Unterteller schwappte. Es konnte sich nur um George Linnley handeln! Das Trauerjahr war vorbei, und Philipp hatte ihre Einwände gegen den blassen Nachbarssohn niemals
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