Im Schatten der Vergeltung
geteilt. Wie Frederica es wohl geschafft hatte, Lady Esther die Zustimmung zu der Verbindung abzuringen? Maureen zweifelte, George Linnley wäre Manns genug, sich gegen die Wünsche seiner Mutter zu stellen.
»Lady Sybil, fühlt Ihr Euch nicht wohl? Ihr seid plötzlich leichenblass.«
Lady Weston tätschelte besorgt Maureens Wange. Sie hätte am liebsten die Hand zur Seite geschoben, denn die Berührung brannte wie Feuer auf ihrer Haut.
»Es ist der Wetterumschwung«, murmelte Maureen geistesgegenwärtig. »Da leide ich immer wieder unter Schwindelanfällen.«
Lady Weston nickte verständnisvoll.
»Das kann ich nachvollziehen. Ihr solltet Euch niederlegen, den Raum verdunkeln und Eure Stirn mit feuchten Tüchern kühlen.«
Maureen schenkte ihr ein dankbares Lächeln, und warf einen verstohlen Blick auf die venezianische Uhr auf dem Kaminsims. Seit einer Stunde war sie Gast von Lady Darlington, da konnte sie unbesorgt Unwohlsein vorschützen und in den Palast zurückkehren, ohne unhöflich zu sein. Sie musste jetzt allein sein, um in Ruhe über ihre nächsten Schritte nachdenken zu können.
E ine Tage später begleitete Maureen die Damen Weston und Darlington in die Oper, denn deren Ehemänner machten sich nichts aus diesem »hohen, unverständlichen Gekrächze«. Maureen fand zwar auch nicht viel Gefallen an dieser Art von Musik, zollte der musikalischen Darbietung jedoch angemessenen Respekt. Schließlich wurde die bekannte Oper La Serva Padrona gegeben, das Musterbeispiel der Opera buffa, selbstverständlich in der italienischen Originalfassung. Maureen verstand kein Wort, konnte der Handlung nur schwer folgen und atmete erleichtert auf, als es Zeit für die Pause war. Sie überlegte, ob sie erneut Unwohlsein vorschützen und in den Palast zurückkehren sollte. Gerade als sie ihr Gesicht probeweise schmerzvoll verzog, eilte Willard Foster mit großen Schritten auf sie zu.
»Lady Sybil! Welche angenehme Überraschung! Es war mir nicht bekannt, dass Ihr eine Liebhaberin dieser neuen Art der musikalischen Unterhaltung seid.«
Mir auch nicht, dachte Maureen und lächelte freundlich.
»Ich begleite Lady Darlington und Lady Weston. Ihr seht mich erstaunt, Euch in einer italienischen Oper zu sehen.«
»Ich könnte jetzt sagen, ich sei ein begeisterter Anhänger, um einen Pluspunkt in Eurer Sympathie zu erringen, ich muss aber gestehen, es gibt einen anderen Grund für meine Anwesenheit«, antwortete Foster. Mit keinem Wort oder Geste erwähnte Foster Maureens Besuch in seinem Haus und ihr vertrauliches Gespräch. Zweifelsohne sah er heute wieder sehr elegant und attraktiv aus, und Maureen musste sich daran erinnern, dass dieser Mann ihrer Sympathie nicht wert war.
»Habe ich Euch erzählt, dass mein Vater, nachdem meine Mutter gestorben war, erneut geheiratet hat?«, riss Foster sie aus ihren Überlegungen.
Maureen verneinte. Über seine familiäre Situation hatte Foster ihr gegenüber bisher kaum gesprochen. Sie wusste nur, er war Witwer und hatte keine Kinder.
»Als meine Mutter starb, war ich bereits zwanzig Jahre alt«, erzählte Foster leutselig. »Trotzdem war es ein herber Schlag. Besonders, als mein Vater ein knappes Jahr später eine junge Witwe mit einem kleinen Sohn heiratete. Es kam zum Zerwürfnis zwischen meinem Vater und mir, weil ich die neue Ehe ihm als Verrat am Andenken meiner Mutter anlastete. Ich trat in die Armee ein, um mein Elternhaus verlassen zu können. Der glückliche Zufall wollte es, dass ich nach Schottland geschickt wurde und somit viele Meilen zwischen meinen Vater und mich brachte. Erst viele Jahre später kam es zu einer Aussöhnung, auch mit meiner Stiefmutter und ihrem Sohn, der zu einem freundlichen jungen Mann herangewachsen war. Ja, man könnte sagen, ich wurde für ihn so etwas wie ein väterlicher Freund, trennten uns doch beinahe zwanzig Jahre. In den letzten Jahren bestand zwischen uns nur ein loser Briefkontakt, da er seinerseits in Schottland ansässig ist. Ihr müsst wissen, Lady Sybil, die leiblichen Eltern meines Stiefbruders waren Schotten. Er ist nun für einige Zeit in der Stadt, und es war sein Wunsch, die Oper zu besuchen, so habe ich ihn begleitet.«
Erwartungsvoll hatte Maureen seinen Worten gelauscht und gehofft, er würde mehr über seine Armeezeit in Schottland erzählen. Für Fosters Stiefbruder interessierte sie sich nicht, lediglich die Tatsache, dass sie, wohin sie auch kam, immer wieder mit Personen aus Schottland konfrontiert wurde, erstaunte
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