Im Schatten der Vergeltung
zu werden? Irgendwie würde das aber nicht zu ihm passen. Sie musste unbedingt mit ihm sprechen! Allein und unverzüglich! Leider verließ Foster den Tisch nicht, und die beiden Herren begleiteten Maureen zusammen in Fosters Kutsche zum St. James Palast. So ergab sich für Maureen keine Gelegenheit, mit Alan ein persönliches Wort zu wechseln. Wenn sie seinen Blick suchte, glitzerten seine Pupillen spöttisch. Maureen fühlte sich wie auf einem Pulverfass, an dem die Lunte bereits angezündet worden war. Galant half ihr Alan vor dem Palast aus der Kutsche. Maureen zitterte, als sie seine Hand ergriff.
»Komm morgen Vormittag«, zischte sie leise, und Alan schenkte ihr ein Lächeln, das weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrückte. Freundlich wünschten er und Foster eine gute Nacht, und Maureen wankte in ihre Zimmerflucht. Krampfhaft arbeitete ihr Gehirn an einer Geschichte, die sie Foster erzählen wollte, falls Alan ihm ihre wahre Identität enthüllte. Was sollte sie den Darlingtons und Westons sagen? Was dem Prinzen und der Königin, die sie freundlich in ihren Kreis aufgenommen hatten? Sie war sich sicher, am nächsten Tag von Alan öffentlich als Lügnerin und Hochstaplerin entlarvt zu werden. Maureen wagte sich den Skandal nach einer solchen Enthüllung nicht vorzustellen. Sie sah sich schon in einem der zahlreichen Londoner Gefängnisse, wo ihr wegen Hochverrats die Todesstrafe drohte, immerhin hatte sie sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den königlichen Hof eingeschlichen. Das war ein schweres Verbrechen. Stöhnend presste Maureen beide Hände auf ihren Magen, in dem es heftig rumorte, was sicher nicht an dem Essen lag, von dem sie kaum etwas zu sich genommen hatte. Es sah alles danach aus, als hätte sie das Glück verlassen, dabei hatte sie geglaubt, kurz vor ihrem Ziel zu sein.
N ach einer Nacht, in der Maureen keine ruhige Minute fand und unruhig im Zimmer auf und ab ging, bangte sie dem Tagesanbruch entgegen. Würde Alan kommen? Würde er sie Tage, vielleicht sogar Wochen, wie einen Fisch im Netz zappeln lassen? Was wusste er? Nein, es war unmöglich, dass er über Clifford Murdoch und ihre Gründe, warum sie Fosters Nähe suchte, Bescheid wusste. Hatte Alan seinen Stiefbruder bereits aufgeklärt, wer Lady Sibyl St. Cleer in Wahrheit war? Wusste vielleicht der ganze Palast schon Bescheid? Der Prinz und die Königin? Würde man sie holen und einkerkern? Die Ungewissheit war schrecklich, und Maureen hasste Untätigkeit. Sollte er ihr doch seine Forderungen präsentieren, dann konnte sie wenigstens darauf reagieren. Alles war besser als dieses nervenaufreibende Warten. Im Moment blieb ihr jedoch nichts anderes übrig. Stöhnend presste Maureen ihre Finger auf die Schläfen. In ihrem Kopf pochte unmittelbar unter der Schädeldecke ein grausamer Schmerz. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so elend und krank gefühlt.
»Mylady, meine Mutter verwendete in solchen Fällen immer eine Tinktur aus Minzöl.«
»Was?« Erschrocken fuhr Maureen herum. Sie hatte das Eintreten der Zofe nicht wahrgenommen. Monja trat auf sie zu und knickste.
»Wenn Ihr wünscht, Mylady, hole ich das Öl. Ich habe noch ein Fläschchen in meinem Zimmer. Wie gesagt, für meine Mutter gab es an diesen bestimmten Tagen nichts Besseres, den Druck im Kopf zu lindern. Ich selbst bin Gott sei Dank von solchen Beschwerden bisher verschont geblieben.«
Jetzt begann Maureen zu verstehen. Monja nahm an, sie litt unter ihren monatlichen Beschwerden. Nun gut, sie konnte es ja ausprobieren. Tatsächlich verringerten sich die Kopfschmerzen als Monja mit sanftem Druck das wohlriechende, etwas scharfe Öl, das Maureen die Tränen in die Augen trieb, auf ihrer Stirn einmassierte.
»Einer meiner Brüder fährt auf einem Handelsschiff zur See«, erklärte die Zofe. »Er brachte die Medizin aus China mit, wo sie bereits seit Jahrhunderten verwendet wird.«
»Ja, das tut wirklich gut ...«, murmelte Maureen mit geschlossenen Augen. Für eine kurze Zeit hatte sie Alan und die mit ihm verbundene Anspannung vergessen. Verflixt, London hatte annähernd eine Million Einwohner, wieso musste Willard Foster ausgerechnet den Mann, den Maureen am wenigstens hatte wiedersehen wollen, zum Stiefbruder haben? Warum war Alan nicht in Schottland geblieben? Maureen seufzte, augenblicklich stoppten Monjas Finger ihr entspannendes Werk.
»Mach weiter!«, forderte Maureen sie auf. »Du hast heilende Hände.«
Die Zofe kicherte. »Ach nein, Mylady. Es
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