Im Schatten der Vergeltung
sie. Bei Murdoch war es Robert Burns gewesen, bei Foster ein Bruder, wenngleich dieser mit dem Politiker nicht blutsverwandt war.
»Wenn Ihr erlaubt, stelle ich ihn Euch vor, Lady Sybil. Er wird entzückt sein, die Bekanntschaft einer solch edlen Lady, wie Ihr es seid, zu machen. Vielleicht erweist Ihr uns die Ehre, nach der Vorstellung gemeinsam zu dinieren? Selbstverständlich sind die Damen Darlington und Weston ebenfalls meine Gäste.«
Maureen lächelte unverbindlich und schlug den Fächer vor ihr Gesicht, um ein müdes Gähnen zu verbergen. Die Pause war gleich vorüber, und sie hatte keine Gelegenheit zur Flucht gehabt. Nun musste sie wohl oder übel den zweiten Akt der Oper über sich ergehen lassen. Sie sehnte sich nach ihrem Bett und wäre am liebsten gleich in den Palast zurückgekehrt, konnte Foster die Bitte aber nicht abschlagen. Folglich würde sie einen langweiligen Mann kennenlernen müssen, nur um weiter in Fosters Gunst zu steigen. So kurz vor dem Ziel durfte Foster auf keinen Fall an ihrer Sympathie für ihn zweifeln.
L ady Darlington und Lady Weston baten, auf ihre Anwesenheit beim Dinner zu verzichten. Sie wollten ihre Gatten nicht unnötig warten lassen. Die Damen verabschiedeten sich aber erst, nachdem Foster hoch und heilig geschworen hatte, persönlich dafür Sorge zu tragen, Lady St. Cleer unbeschadet in den Palast zurückzubringen.
»Mylady, ich versichere Euch, mein Bruder und ich werden die Dame persönlich begleiten«, sagte er mit einer Verbeugung, um sich dann einem hoch gewachsenen Herrn zuzuwenden, der sich zögernd der kleinen Gruppe näherte. »Ah, da ist er ja! Mein lieber Alan, darf ich dir Lady Sybil St. Cleer vorstellen? Sie ist Witwe und lebte viele Jahre in Irland, bis sie kürzlich nach England zurückkehrte.«
Eine kalte Hand packte nach Maureens Herz, ihre Knie zitterten, und alles in ihr schrie nach Flucht, ihre Füße schienen jedoch am Boden angewachsen zu sein, denn sie konnte sich keinen Schritt bewegen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, so wie andere Damen schnell und elegant in Ohnmacht fallen zu können. Der Raum hörte nicht auf, sich um sie zu drehen. Foster bemerkte die Blässe ihrer Wangen.
»Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Mylady?«, fragte er besorgt. Bevor Maureen etwas erwidern konnte, ergriff sein Stiefbruder das Wort:
»Wahrscheinlich hat meine blendende Erscheinung der Lady die Worte geraubt. Willard, es wäre sehr freundlich, wenn du der Dame ein Glas Wasser holen würdest. Ich kümmere mich derweil um Lady St. Cleer.«
Kaum war Foster der Aufforderung gefolgt, als sich Alans Finger auch schon fest um Maureens Oberarm schlossen.
»Schluss mit dem Theater!«, zischte er. »Wage es nicht, in Ohnmacht zu fallen.«
Maureen unterdrückte einen empörten Ausruf, um nicht das Interesse der Umstehenden auf sich zu lenken.
»Du tust mir weh!«, flüsterte sie.
»Das, meine Liebe, ist auch meine Absicht«, gab Alan McLaud zynisch zurück. »Einen klangvollen Namen hast du dir gewählt, aber Fantasie hast du ja immer besessen, das muss man dir lassen.«
»Was willst du?«, fragte Maureen rasch, denn Foster eilte bereits mit einem Glas Wasser wieder auf sie zu.
»Wie wäre es mit der Wahrheit?«, konnte Alan noch antworten, dann war Foster bei ihnen. Maureen stürzte das dargebotene Glas Wasser in einem Zug hinunter.
Das anschließende Dinner bedeutete eine einzige Qual für sie, und sie saß wie auf glühenden Kohlen. Jeden Moment konnte Alan ihre Tarnung aufdecken und Foster ihren richtigen Namen verraten. Er dachte aber nicht daran, spielte ein Katz-und-Maus-Spiel mit ihr und fragte nach ihrem Leben in Irland und dem bisherigen Aufenthalt in London. Dabei erkundigte er sich ausführlich über Dublin und die umliegende Gegend, so dass Maureen Schweißperlen der Anspannung über den Rücken liefen. Geistesgegenwärtig erinnerte sie sich an alles, was sie je über Irland gelesen und gehört hatte und hoffte, dass Foster das Land niemals bereist hatte und ihre Schwindeleien nicht bemerken würde. Alan lauschte mit geheucheltem Interesse und verhielt sich so, als würde er jedes Wort glauben. Willard Foster schien – für Maureen unverständlich – nichts von der hochexplosiven Spannung zwischen ihr und Alan zu bemerken. In ihrem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbäume. Ihr einstiger Liebhaber war der Stiefbruder von Foster – unfassbar! Sie hatte gedacht, Alan McLaud nie wieder zu begegnen. Musste sie nun befürchten, von Alan erpresst
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