Im Schatten der Vergeltung
Maureen sprechen. Maureen hatte es nicht riskieren können, sich einer Befragung zu stellen, obwohl sie unschuldig war. Zu groß war ihre Angst, die Maskerade als Lady St. Cleer könnte entdeckt werden. Außerdem gab es für sie einen triftigen Grund, so schnell wie möglich die Stadt zu verlassen. Dieser war so gravierend, dass er alle Gedanken um Alans Tod in den Hintergrund drängte und keinen Raum für Trauer ließ. Der Brief mit dem Namen des dritten Mannes, den ihr Foster übergeben hatte, brannte wie ein heißes Eisen in ihrer Jackentasche. Der Name hämmerte ohne Unterlass in Maureens Kopf, raubte ihr des Tags die Konzentration und in der Nacht den erholsamen Schlaf. Der dritte Name! Im letzten Moment hatte Willard Foster eine Trumpfkarte ausgespielt, als er Maureens richtige Identität erkannte. Es war ein Trumpf, der Maureen bis ins Mark getroffen und in tiefste Verzweiflung stürzte. Der Name des Jungens, der Laura ebenso wie die beiden anderen vergewaltigt hatte, lautete David Linnley! Der Junge, von Foster als ruhig und schüchtern geschildert, war kein Geringerer als ihr Nachbar, mit dem Maureen jahrelang freundschaftlich verkehrt hatte. Linnley, dessen Frau für die gesellschaftliche Anerkennung Maureens verantwortlich war. Linnley, dessen Sohn ihre Tochter Frederica heiraten wollte! Oder es vielleicht schon getan hatte? Linnley, der vielleicht ihr Vater und damit sein Sohn Fredericas Onkel war. Das wäre Inzest! Maureens Gedanken kreisten unaufhörlich um den Punkt der Vaterschaft. Ihr Gefühl weigerte sich, Murdoch in Betracht zu ziehen. Foster? Ja, es wäre möglich. Und Linnley? Dieser schwache, blasse Mann, ohne eigene Meinung und Rückgrat? Sie musste unter allen Umständen eine Vermählung zwischen Frederica und George verhindern. Maureen wusste, wie gefährlich es war, nach Cornwall zurückzukehren und sie musste in Kauf nehmen, ihre Tochter zu verletzen. Würde Frederica aber nicht viel mehr verletzt werden, wenn die Wahrheit irgendwann ans Licht kommen würde? War es nicht ihre Pflicht, die Pflicht einer Mutter, sein Kind vor allem Unbill dieser Welt zu beschützen? Es würde kein leichtes Unterfangen werden, denn Frederica durfte nicht erfahren, dass sie noch am Leben war. Monja würde ihr dabei von Nutzen sein. Während der Reise in den Westen hatte Maureen sich einen Plan zurechtgelegt, dessen Umsetzung nur mit Monjas Hilfe möglich sein würde, denn trotz ihrer männlichen Kleidung konnte sie es nicht wagen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Maureen hatte das Mädchen während der letzten Tage durchschaut. Monja strebte nach Höherem, war mit dem Platz, der ihr durch Geburt zugedacht war, nicht zufrieden. Wahrscheinlich erhoffte sie sich von Maureen das Startkapital für ein besseres Leben. Nach wie vor kannte die Zofe Maureens richtigen Namen nicht. Für sie war sie immer noch Lady Sybil St. Cleer, auch wenn sie darauf bestand, als Maurice angesprochen zu werden, selbst wenn sie allein waren. Monja wusste nicht, was Alan McLaud gegen sie in der Hand hatte. Sie hatte nur die Wachen belauscht, die zuerst beim König vorgesprochen und ihm gegenüber den Verdacht geäußert hatten, ihre Herrin hätte den Mann ermordet und solle verhaftet werden. Aus der Tatsache, dass Maureen dabei gewesen war, mitten in der Nacht sang- und klanglos zu verschwinden, hatte Monja geschlossen, dass die Vorwürfe stimmten, daraufhin hatte sie schnell gehandelt, und wunderte sich weder über das Verhalten der Lady noch über die Anwandlung, sich als Mann zu verkleiden. Sie hatte mit Sybil St. Cleer eine Abmachung getroffen, an deren Ende sie, Monja, es nicht mehr nötig haben würde, jemals wieder andere Leute zu bedienen. Es war ihr gleichgültig, ob sie eine Mörderin war und eine falsche Identität angenommen hatte. Für den Lohn, der sie erwartete, konnte Lady Sybil sich ihretwegen als Wolf verkleiden und den Mond anheulen, wenn es ihr beliebte.
Maureen hatte, was Alans Tod anging, eine Theorie. Sie erinnerte sich an Alans Ausführungen über die East India Company. Das Unternehmen warb mit dem Versprechen, binnen kurzer Zeit die Investitionen ihrer Kunden zu verzehnfachen. Alan war dabei gewesen, den Betrug bei diesem Geschäft aufzudecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Für Maureen bestand kein Zweifel, dass es Leute gab, die entschieden gegen Alans Recherchen waren und verhindert hatten, dass die Wahrheit über das Unternehmen ans Licht kam. Wenn es um Geld ging, zählte ein
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