Im Schatten der Vergeltung
ist übrigens Bice. Meine Frau ist gerade unten beim Hafen, um frischen Fisch für das Abendessen zu kaufen.«
Über eine steile Treppe erreichten sie das erste Stockwerk. Am Ende des Ganges öffnete der Wirt eine Tür und ließ die Herrschaften an sich vorbei eintreten. Das Paar stand in einem großen Raum, dessen Wände mit Holzpaneelen verkleidet waren. Rechter Hand befand sich ein breites Himmelbett mit dunkelgrünen Samtvorhängen. Ein Schrank, ein Tisch mit drei Stühlen und eine Waschkommode vervollständigten die einfache, aber ordentliche und saubere Einrichtung.
»Es ist unser Bestes!«, bemerkte Mr. Bice stolz, durchquerte den Raum und öffnete einen Fensterflügel. »Schauen Sie sich die Aussicht an! Über die ganze Bucht hinweg bis rüber nach Polruan. Leider ist bei dem Nebel nicht viel zu erkennen, warten Sie aber bis morgen, dann werden Sie entzückt sein.«
Die junge Dame warf pflichtschuldig einen Blick nach draußen, und murmelte Zustimmung. Das Gasthaus stand auf einem Hügel über der kleinen Ortschaft Fowey. Nur vage erkannte sie durch den Nebel ein paar dümpelnde Fischerboote im Hafen und die Umrisse von Häusern. Sie wandte sich an den Wirt: »Wir sind sehr hungrig. Können Sie uns Tee und ein paar Brote aufs Zimmer bringen lassen?«
Er nickte. »Ich werde mich sofort darum kümmern. In zwei Stunden ist das Abendessen fertig. Möchten Sie es in der Gaststube einnehmen, oder soll ich es Ihnen auf das Zimmer servieren?«
»Aufs Zimmer«, antwortete Mrs Markham schnell. »Wir sind von der Reise erschöpft und werden uns früh zur Ruhe begeben.«
Mit einem Diener verließ Mr. Bice das Zimmer. Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, ließ sich der Herr mit einem lauten Seufzer auf das Bett fallen.
»Endlich! Ich dachte, er würde niemals gehen.«
Seine Stimme war kräftig, nicht die Spur einer Krankheit war zu hören. Achtlos warf er seinen Hut auf das Bett und begann, sich aus dem unförmigen Reisemantel zu schälen. Sogleich sprang die junge Frau an seine Seite.
»Mylady ...«
»Maurice! Mein Name ist Maurice, und ich bin dein Ehemann. Dein zur Schweigsamkeit verdammter Gatte, um dessen Wohl du dich aufopfernd kümmerst.«
Monja runzelte die Stirn. »Wenn wir allein sind, kann ich Euch doch helfen. Ihr könnt Euch nicht alleine an- und auskleiden.«
Maureen»« lachte.
»Sei unbesorgt, Monja, ich kann es sogar sehr gut! Es ist besser, wenn du mich immer Maurice nennst, sonst verplapperst du dich noch.«
Nach ihrer überstürzten Flucht aus dem St. James Palast war es Maureen gelungen, außerhalb der Stadtgrenze einen Kutscher mitsamt einem passablen Gefährt aufzutreiben. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon in die Rolle des stummen Maurice Markham geschlüpft. Monja hatte zwar heftig protestiert, Maureen das volle, lockige Haar abzuschneiden, aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Sie musste die Identität der Lady Sybil St. Cleer auslöschen und alle Spuren verwischen.
Während der anstrengenden und rasanten Fahrt – der Kutscher trieb die Pferde bis zu deren Erschöpfung an – hatte Maureen genügend Zeit, über die Ereignisse der letzten Tage nachzudenken. Beim Gedanken an Alan McLaud zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Der große, gut aussehende und stolze Schotte war tot. War feige und hinterhältig ermordet morden! Maureen war darüber erschüttert, allerdings war ihr Schmerz nicht so stark wie der, den sie empfunden hatte, als Philipp sie verlassen und ihr Frederica entzogen hatte. Seit dem Tag hatte Maureen nicht mehr zugelassen, dass jemand ihr Herz berührte. Mit Alan hatte sie einige schöne Monate verbracht, jedoch kein Bedauern verspürt, als sie ihn verließ. Es war ein Schock gewesen, ihm in London plötzlich gegenüberzustehen. Trotz seiner gegenteiligen Beteuerung, hatte sie mit der Angst, Alan könnte ihre Identität aufdecken, gelebt, und doch war sie über seinen Tod, der sie von diesem Problem befreite, erschüttert. Dass Monja dachte, sie hätte Alan getötet, konnte sie der Zofe nicht verübeln, schließlich war sie gerade dabei gewesen, London in aller Heimlichkeit zu verlassen, just an dem Tag, als Alan ermordet worden war. Auf der Fahrt hatte Monja berichtet, man hätte Alan am Ufer der Themse, unterhalb von Billingsgate aufgefunden. Ein Dolch steckte in seinem Hals. Wahrscheinlich hatte Alan seinen Mörder gekannt, denn der Stich erfolgte von vorne, und es gab keine Anzeichen eines Kampfes. All das musste in Monjas Augen gegen
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