Im Schatten der Vergeltung
Lungenentzündung.«
»Was soll das?«, fuhr Cedric auf. »Woher willst du das wissen?«
»Weil ich bis zum Ende an ihrer Seite war«, antwortete Monja. »Ihr Tod war schrecklich, quälend und leidvoll, denn Lady Maureen starb an den Folgen des Wahnsinns, der ihr Gehirn zerstörte.« Sie zögerte, und Cedric wollte gerade aufbegehren, als sie hinzufügte: »Genau wie deren Mutter, Fredericas Großmutter, und Eure Braut trägt den Wahnsinn ebenfalls in sich.«
Cedric sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten. Seine Augen funkelten zornig.
»Diese Verleumdungen und Beleidigungen nimmst du sofort zurück! Ich kannte Lady Maureen, auch wenn ich sie viele Jahre nicht gesehen habe. Auf Gottes Erdboden gab es keine sanftere und liebevollere Frau.«
Monja zuckte trotz seiner drohenden Haltung keine Handbreit zurück. Fest hielt sie seinem Blick stand.
»Die Krankheit brach erst später aus. Das ist normal, dann jedoch wurde es rapide schlimmer und schlimmer. Die Betroffenen erkennen ihre Familie und Freunde nicht mehr, werden aggressiv, bösartig und schließlich eine Gefahr für ihr Umfeld. Die letzten Monate ihres Lebens fristete Lady Maureen in geistiger Umnachtung hinter den Mauern einer Anstalt in Edinburgh. Die gleiche Anstalt, in der ihre Mutter ein halbes Jahr zuvor ihr armseliges Lebenslicht ausblies. Bei Frederica Trenance wird die Krankheit früher oder später ebenfalls ausbrechen, denn alle Frauen der Familie leiden darunter.«
Verwirrt strich sich Cedric eine Haarsträhne aus der schweißnassen Stirn. Etwas in ihm sagte, er sollte so schnell wie möglich auf sein Pferd steigen, fortreiten und die Worte vergessen, eine andere Stimme meldete sich jedoch, die ihn drängte, der Fremden weiter zuzuhören.
»Frederica ist völlig normal«, sagte er bestimmt.
Sie zuckte mit den Schultern. »Bei Lady Maureen war auch lange nichts von der Krankheit zu bemerken, außer vielleicht, dass sie immer etwas impulsiv und unstet war. Als der Wahnsinn bei ihrer Mutter immer größere Ausmaße annahm, reiste sie nach Schottland, um sich um Laura zu kümmern. Dort konnte sie die Augen vor der Tatsache, dass sie an den gleichen Symptomen litt, nicht mehr verschließen. Darum schickte Lady Maureen ihren Mann und ihre Tochter nach Cornwall zurück. Sie wollte Frederica ersparen, sie im Endstadium zu erleben. Aus diesem Grund wurde die Lüge der Lungenentzündung und ihres Todes verbreitet.«
»Sir Philipp sagte, seine Schwiegermutter wäre an einem unheilbaren Lungenleiden erkrankt, und Lady Maureen wollte bis zu ihrem Tod bei ihr bleiben. In dem kalten schottischen Winter erkrankte sie schließlich selbst und starb. Ich kann und werde dir diese Lügen nicht glauben. Frederica hätte mir die Wahrheit gesagt.«
Monja nickte verständnisvoll.
»Eure Braut weiß natürlich nichts über die tatsächlichen Todesumstände ihrer Mutter. Sir Trenance hat ihr und allen Nachbarn und Freunden die Wahrheit verschwiegen. Stellt Euch den Skandal vor, wenn bekannt werden würde, dass in der Familie Trenance der Wahnsinn herrscht.«
Die Ausführungen der Frau klangen logisch und verständlich, trotzdem weigerte sich Cedric, auch nur ein Wort zu glauben.
»Du hast ein lästerliches Schandmaul!«, herrschte er sie wütend an. »Ich glaube dir kein Wort und warne dich, diese Verleumdungen weiter zu verbreiten, sonst werde ich dafür sorgen, dass du in deinem Leben niemals wieder ein Wort sagen kannst, und wenn ich dir die Zunge höchstpersönlich herausschneiden muss.«
Auch diese Drohung entlockte Monja nur ein müdes Lächeln. Ihre Herrin hatte sie eingehend auf solch heftige Reaktionen vorbereitet.
»Ich habe mir gedacht, Ihr werdet meinen Worten keinen Glauben schenken, darum habe ich einen Beweis mitgebracht. Vielleicht überzeugt Euch das?«
Sie griff in ihre Rocktasche und holte ein zerknittertes Stück Papier hervor, faltete es langsam auseinander und reichte es Cedric. Die linke Seite war ausgefranst, als wäre sie hastig aus einem Buch gerissen worden.
Anstalt der Barmherzigen Schwestern, Edinburgh stand in schwarzen Buchstaben in der obersten Zeile. Cedrics Augen huschten über die Seite.
Maureen Trenance, 35 Jahre, Edinburgh, gestorben 17. Januar 1782 – geistige Umnachtung und Irrsinn, las Cedric in der vorletzten Zeile.
»Und hier ist der Eintrag ihrer Mutter«, bemerkte Monja und tippte auf den Seitenanfang.
Laura Mowat, 51 Jahre, Edinburgh, gestorben am 5. September 1781 – geistige Umnachtung und
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