Im Schatten der Vergeltung
vollzogen war, darüber dachte Maureen nicht nach. So, wie sie seit Wochen alles verdrängte, was sie belastete, sonst wäre sie am Leben verzweifelt.
G emächlich ritt Cedric Collingford auf dem schmalen Waldweg unter einem dichten Dach aus Blättern. Immer wieder duckte er sich, um den Ästen auszuweichen. Er hatte keine Eile, nach Bracken Hall zurückzukehren und dachte, wie er vorhin Frederica in den Armen gehalten hatte. Er war ein ungeduldiger Mensch und konnte die Hochzeit kaum erwarten. Die Momente, die er mit Frederica allein verbringen konnte, waren kostbarer als alles Gold der Welt. Wenn sie sich an ihn schmiegte, er ihren biegsamen, schlanken Körper an seinem spürte, musste er seine ganze Willenskraft aufbringen, um die Grenze der Schicklichkeit nicht zu überschreiten. So bereitwillig, wie Frederica seine Zärtlichkeiten erwiderte, zweifelte er nicht daran, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie, er würde sie aber nicht zu Taten verleiten, solange sie nicht vor Gott miteinander verbunden waren. Cedric hatte in seinem Leben einige Frauen gekannt – flüchtige, nichtssagende Begegnungen, die keinen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen hatten. Mit Frederica war es anders. Sie war die einzige Frau auf der Welt, die er für den Rest seines Lebens an seiner Seite haben wollte.
Derart in Gedanken versunken, bemerkte Cedric die Frau, die plötzlich mitten auf dem schmalen Weg stand, erst im letzten Moment. Ruckartig zügelte er sein Pferd, das ein unwilliges Wiehern ausstieß und nervös zu tänzeln begann. Cedric hatte Mühe, den Hengst wieder in den Griff zu bekommen. Wütend brüllte er: »Kannst du nicht aufpassen, Weib?«
Sie war zwar jung, nicht gerade eine Schönheit und einfach gekleidet. Sicher eine Magd oder ein Bauernmädchen aus der Umgebung. Cedric schenkte ihr keine weitere Aufmerksamkeit und wollte seinen Ritt fortsetzen, als sie rief: »Ich bitte Euch um ein Gespräch, Mylord.«
»Was willst du?« Verblüfft starrte er sie an. »Ich wüsste nicht, was ich mit dir zu besprechen hätte. Jetzt geh aus dem Weg, ich bin in Eile.«
Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, Cedric hatte aber keine Lust, sich mit der Frau zu unterhalten. So leicht ließ sie sich jedoch nicht abschütteln. Beherzt griff sie nach den Zügeln und klammerte sich an ihnen fest.
»Wenn ich Euch sage, dass ich wichtige Informationen über Eure Verlobte habe, seid Ihr bestimmt gewillt, mich anzuhören.«
Cedric zuckte unmerklich zusammen. »Meine Beziehung zu meiner Braut geht dich nichts an. Wer bist du überhaupt? Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind.«
Sie zeigte sich über sein unfreundliches Verhalten nicht verärgert, im Gegenteil. Ihr etwas zu breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln, und sie fuhr freundlich fort: »Ich bin nur jemand, der es gut mit Euch meint und Euch nicht in Eurer Unglück laufen lassen will.«
Drohend hob Cedric die Reitpeitsche. »Sei still! Ich bin nicht bereit, irgendwelche Verleumdungen über meine Verlobte anzuhören.«
Energisch löste er ihre Hand von den Zügeln und zog diese an. Das Pferd machte einen erschrockenen Satz nach vorne und scharrte nervös mit den Hufen.
»Wenn Ihr Euch und Frederica Trenance ins Unglück stürzen wollt, dann schließt diese Ehe!«, rief sie. »Ihr dürft das Mädchen auf keinen Fall zur Frau nehmen, sonst geschieht ein Unglück.«
Cedric meinte, einen verzweifelten Ton in ihrer Stimme zu erkennen. Was könnte sie aber schon über Frederica erzählen, das ihn von einer Heirat abhalten sollte? Das konnten nur infame Lügen sein, trotzdem war seine Neugierde geweckt. Ganz gleich, was die Fremde ihm zu sagen hatte, nichts konnte seine Absicht, Frederica zu ehelichen, ändern. Ärgerlich, mehr über sich selbst als über die Frau, zügelte er erneut sein Pferd, schwang sich aus dem Sattel und sagte barsch: »Nun gut, aber fasse dich kurz.«
Das Mädchen deutete auf einen Stapel Baumstämme am Wegrand und setzte sich. Widerwillig ließ sich Cedric in gebührendem Abstand neben ihr nieder.
»Was wisst Ihr über den Tod von Lady Maureen Trenance, die Mutter Eurer Braut?«
Cedric zog die Brauen zusammen. »Lady Maureen? Nun, ich habe sie in meiner Jugend gekannt. Vor einem Jahr starb sie an einer Lungenentzündung in Schottland.«
»Hm ... Lungenentzündung.« Monja zupfte an einem Grashalm und mied seinen Blick. »Das ist die offizielle Version. Tatsächlich ist sie erst vor drei Monaten gestorben – und nicht an
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