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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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schrie eine laute Frauenstimme etwas Unverständliches. Im selben Moment, als Maureen nach oben sah, wurde sie auch schon ruckartig am Arm gepackt und zur Seite gerissen. Sie strauchelte und fand sich im nächsten Moment an einer breiten Männerbrust wieder. Alles, was sie erkennen konnte, war ein weißes, gestärktes Hemd und darüber eine dunkelbraune Weste. Neben ihr platschte eine übel riechende Flüssigkeit auf das Pflaster, die auf ihren Rock und auf ihren Mantel spritzte.
    »Oh!« Obwohl Maureen hochgewachsen war, musste sie den Kopf weit in den Nacken legen, um das Gesicht des Fremden erkennen zu können, der sie immer noch mit beiden Armen umklammert hielt. »Würden Sie mich bitte sofort loslassen?«
    Er tat es unverzüglich, und Maureen trat schnell einen Schritt von ihm fort.
    »Das war knapp.«
    Seine tiefe, wohlklingende Stimme mit dem unverkennbaren schottischen Akzent passte zu seiner Erscheinung. Er war sehr groß, verfügte über ein markantes, leicht vorspringendes Kinn und sein schwarzes Haar war kurz und glatt. Maureen hatte keine Angst, denn alles an dem Mann wies auf einen Gentleman hin.
    »Was ... ist passiert?«, fragte sie und sah auf die Straße. Nur ein paar Fuß weiter befand sich eine Pfütze voller Speisereste und Exkremente.
    Der Fremde sah sie verständnislos an.
    »Haben Sie den Warnruf nicht gehört?«
    »Welchen Ruf?«
    » Gardyloo natürlich! Sie hätten mit Haud yer hand! antworten müssen. Sie sind wohl nicht von hier?«
    »Gardie… was? Ja, da hat jemand etwas gerufen. Ich wollte gerade nachsehen, was los ist, als Sie mich auch schon an sich gerissen haben.«
    Der Mann lachte. Er war nicht mehr jung, gewiss einige Jahre älter als Maureen. Um seine Augen spielten zahlreiche feine Fältchen.
    » Gardyloo bedeutet so viel wie Vorsicht Wasser , das allerdings nicht immer der Realität entspricht«, setzte der Fremde zu einer Erklärung an. »Meistens sind es ganz andere Dinge als nur Wasser, die aus den Fenstern auf die Straße geschüttet werden. Das schottische Wort ist eine Abwandlung des französischen Begriffes gardez l´eau und wird seit den Zeiten Maria Stuarts in Edinburgh allgemein verwendet.«
    »Ach?« Maureen krauste ihre Nase. »Dann muss ich Ihnen wohl dankbar sein. Sie haben recht, ich war eine lange Zeit nicht mehr in Schottland. Ich lebe in Cornwall.«
    Im selben Moment, als sie die Worte ausgesprochen hatte, hätte Maureen sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Was ging es den Fremden an, woher sie kam, und wie konnte er es wagen, sie in einer solch unverschämten Art und Weise anzustarren? Sie würde ihm jetzt ganz einfach danken und dann auf dem schnellsten Weg zum Charlotte Square zurückkehren.
    Missbilligend zog der Fremde eine Augenbraue in die Höhe.
    »Aye, Engländerin? Ich habe Ihren Akzent nicht richtig einordnen können. Schade, wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich Ihnen sicher nicht zu Hilfe gekommen.«
    »Was erlauben Sie sich!«
    Der Fremde verschränkte die Arme vor seiner Brust und musterte sie abschätzend.
    »Ich verabscheue alle Engländer«, sagte er ruhig,
    »Ich bin ebenso Schottin wie Sie!«, rief Maureen. »Mein Ehemann ist Engländer, darum lebe ich im Süden.«
    Verflixt, warum erzähle ich ihm das eigentlich?, fragte sie sich sofort wieder. Der Mann trat einen Schritt zurück und spuckte so unvermittelt vor Maureen aus, dass sie vor Schreck einen leisen Schrei ausstieß.
    »Jetzt würde ich Ihnen gern eigenhändig den Eimer mit den Exkrementen über den Kopf kippen. Wenn Sie als Engländerin geboren worden wären, könnten Sie zumindest nichts dafür. Aber dass sich eine Schottin dazu herablässt, ihr Land zu verraten, indem sie den Feind heiratet – das verdient meine ganze Verachtung!«
    Maureen verlor die Selbstbeherrschung. Mit aller Kraft holte sie aus und ohrfeigte ihn. Er war so überrascht, dass er nicht auswich. Außer sich vor Zorn rief sie: »Mein Mann wird für diese Beleidigung Genugtuung fordern! Er war Angehöriger der Armee und kann exzellent mit dem Degen umgehen. Nennen Sie mir Ihren Namen, und er wird Sie morgen aufsuchen.«
    Er stieß einen schnaubenden und verächtlichen Laut aus.
    »Wenn Sie glauben, ein hinterhältiger Rotrock würde mir Angst einjagen, so täuschen Sie sich. Und Sie, meine Liebe, sind es nicht wert, dass ich mich mit jemandem Ihretwegen duelliere. Sie sollten sich nicht überschätzen.«
    Er drehte sich um und eilte mit weitausholenden Schritten davon.
    »Ihren Namen!«
    Er blieb

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