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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Hustenanfall zwang Laura, sich an die Eisenstäbe zu klammern. Ihr schmächtiger Körper wurde von Krämpfen geschüttelt, und sie rang nach Atem.
    »Mutter!« Maureen legte einen Arm um Lauras Schultern und erschrak, wie mager die Mutter geworden war. Laura wehrte die Berührung nicht ab. »Bitte, komm mit uns. Wir haben am Charlotte Square ein Haus gemietet, dort können wir in Ruhe sprechen.«
    Laura schüttelte energisch den Kopf. Der Husten hatte sich gelegt, aber sie atmete noch immer schwer.
    »Niemals betrete ich das Haus eines Engländers. Wenn du willst, kannst du mich begleiten. Aber ohne den da!« Anklagend zeigte sie mit dem Finger auf Philipp.
    »Mutter, Philipp ist mein Ehemann. Dein Schwiegersohn und der Vater deiner Enkelin.«
    »Das heißt noch lange nicht, dass ich seine Gesellschaft ertragen muss. Also, wenn du wirklich mit mir sprechen willst, dann allein.«
    Verständnislos schüttelte Maureen den Kopf. Sie warf Philipp einen um Verständnis bittenden Blick zu und sagte leise: »Fahre zurück, ich nehme mir später eine Mietdroschke.«
    In seinen Augen sah sie die Missbilligung und war ihm umso dankbarer, dass er keine Einwände erhob.
    Maureen stützte ihre Mutter, als sie durch die Gassen der Altstadt gingen. Sie kamen nur langsam voran, jeder Schritt bereitete Laura große Mühe. Immer wieder musste sie stehen bleiben und nach Atem ringen. Es war offensichtlich, dass Laura schwer krank war. Aus den Augenwinkeln bemerkte Maureen, wie ihnen Philipps Kutsche in angemessenem Abstand folgte, ohne dass Laura es bemerkte.
    Für den Weg von einer knappen Meile benötigten sie über eine halbe Stunde, dann hatten sie Lauras Unterkunft in einer schmutzigen Seitengasse der Royal Mile erreicht. Maureen wusste nicht, was sie erwartet hatte, auf keinen Fall jedoch dieses kleine und schäbige Zimmer über einer zweifelhaften Schenke, in der zwielichtige, ungewaschene Gestalten bereits am Vormittag bei Bier und Whisky saßen. An der schmuddeligen Theke bestellte Laura einen Krug Bier. Irritiert erklomm Maureen eine steile Stiege hinauf und folgte ihrer Mutter in einen Raum, der kaum größer als eine Abstellkammer war. Laura, die sich von den Hustenanfällen wieder erholt hatte, schenkte das dunkle, starke Bier in zwei Holzbecher. Einen davon reichte sie Maureen, die sich nicht daran erinnern konnte, wann sie zum letzten Mal aus einem Holzbecher getrunken hatte, es war aber auch gleichgültig. Am liebsten hätte sie etwas Stärkeres zu trinken gehabt, aber sie entdeckte weder eine Flasche Whisky noch Brandy. Wenigstens war es in der Kammer warm, und die unverputzten Wände waren frei von Schimmel. Laura legte trockenes Holz in den Kamin. Als die Flammen emporzüngelten, hängte sie einen gusseisernen Topf über das Feuer.
    »Hühnersuppe«, erklärte sie kurz. »Willst du auch eine Schale?«
    Maureen schüttelte stumm den Kopf, ihr Magen war wie zugeschnürt. Sie beobachtete jeden Handgriff der Mutter: Wie sie die Suppe umrührte, nach wenigen Minuten eine Holzschale von dem einzigen Bord nahm, diese mit der Suppe füllte, sich dann an den wackligen, grobgezimmerten Tisch setzte und langsam die heiße Flüssigkeit schlürfte. Es war ein armseliger Anblick: Eine alte, kranke Frau mit abgetragenen Kleidern hockte in einem Raum, der selbst für eine Küchenmagd zu schäbig war, trank billiges, starkes Bier und aß eine dünne Hühnerbrühe. In Lauras Körperhaltung und auf ihrem Gesicht lag jedoch ein Ausdruck, als residiere sie im Holyrood Palast und verspeise mit Trüffeln gespickte Kalbsbrust. Das vertraute Gefühl aus der Kindheit, in der Maureen immer gedacht hatte, dass ihre Mutter nicht in die einfache Kutscherwohnung passte, kehrte zurück. Lauras Haltung war stolz, ihr Kinn hoch erhoben. Obwohl sie gealtert war, hatte sich an ihrer Ausstrahlung nichts geändert. Unwillkürlich musste Maureen an Lady Esther denken. Ohne Zweifel war ihre Nachbarin eine reiche Dame, besaß jedoch nicht die Würde, die diese kleine zarte Frau mit dem strähnigen Haar und dem gebeugten Rücken ausstrahlte.
    Ein längst vergessenes Gefühl überkam Maureen. Es war eine Mischung aus Wehmut und Liebe. Liebe zu einer Mutter, die ihr nie einen Grund gegeben hatte, sie zu lieben. Zwar hatte Laura sie niemals geschlagen oder sonst schlecht behandelt, aber die Kälte, die Laura wie ein Panzer aus undurchdringbarem Eis umgab, und die Ignoranz ihr gegenüber hatten Maureen mehr verletzt, als sie es sich jemals eingestanden hatte. Sie

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