Im Schatten der Vergeltung
nicht mein Leben. Wir verbringen angenehme Stunden zusammen, haben Spaß und vertreiben uns die dunklen und kalten Wintertage und ganz besonders die Nächte. Trotzdem kann ich meine Neugier, warum dein Mann dich in Schottland zurückgelassen hat, nicht länger verbergen.«
Maureen legte sich wieder zurück und starrte in die Dunkelheit. Nach Minuten des Schweigens sagte sie schließlich: »Wir haben einen großen Besitz im Süden, den er über den Winter nicht allein lassen kann. Ich hingegen wollte meine Mutter nicht einsam und allein sterben lassen. So einfach ist das, Alan. Wenn deine Freunde auch äußerst unkompliziert sind, wage ich zu bezweifeln, dass sie mich immer noch freundlich empfangen würden, wüssten sie, dass ich verheiratet bin.«
Alan griff nach einer ihrer Haarsträhne und ließ sie durch seine Finger gleiten.
»Offenbar war deine Ehe nicht glücklich, denn ich spüre eine unterdrückte Leidenschaft in dir, und ich bin in der Lage, diese zu befriedigen. So solltest du deinem Mann dankbar sein, dass er dich verlassen hat.«
Maureen schnaubte entrüstet. Manchmal behandelte Alan sie auf eine derart herablassende und zugleich bestimmende Art, dass sie versucht war, sich zornig auf ihn zu stürzen. Auf der anderen Seite war es genau diese hochmütige Selbstsicherheit, die Maureen an Alan faszinierte. Ihre gelegentlichen Wortkabbeleien gaben ihrem Leben zwar eine gewisse Würze, gleichzeitig schätzte sie es aber nicht, wenn Alan versuchte, zu sehr in ihr Leben einzudringen. Maureen wusste, es war ein Widerspruch, aber ihre ganze Beziehung zu Alan war ein einziger Widerspruch. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie, dass sie in naher Zukunft Alan ohne Bedauern verlassen würde, dabei teilte sie das Bett mit ihm. Binnen kurzer Zeit war ihr Leben aus den Fugen geraten, sie aus der Bahn geworfen worden, und noch wusste sie nicht, wohin ihre Reise gehen und wann sie wieder zu sich finden würde. Wenn überhaupt jemals wieder …
»Unsere …«, sie zögerte, suchte nach dem richtigen Wort, »Beziehung gibt dir nicht das Recht, dich in mein Leben einzumischen.«
Leise antwortete er: »Ich wäre froh, wenn dein Mann tatsächlich gestorben wäre, denn in diesem Fall würde ich dich gerne heiraten.«
Dieses Mal war seine Stimme frei von Spott. Er meinte es offenbar ernst, und Maureen fühlte sich unangenehm berührt.
»Ach, Alan ...«, sagte sie langsam. Bevor sie weitersprechen konnte, nahm er sie in die Arme.
»Ich gebe zu, ich habe nie ans Heiraten gedacht. Ich tauge nicht für die Ehe, aber vielleicht lag es nur daran, dass ich bisher keiner Frau begegnet bin, die mir ebenbürtig ist. Ich mag keine Heimchen am Herd, die ihrem Mann immer und überall nach dem Mund reden. Du und ich – wir sind vom gleichen Schlag! Die Welt würde uns offen stehen, und es gibt so vieles, das wir gemeinsam entdecken und erleben könnten. Wir könnten reisen! Paris, Rom, Mailand, oder wie wäre es mit der Côte d’Azur?«
Maureen trafen seine Worte mehr ins Herz, als sie gedacht hatte. Durch Alan erhielt sie genau die Bestätigung als Frau, die sie nach Philipps Verhalten brauchte. Es war schön, für einen anderen Menschen wirklich wichtig zu sein und von ihm geliebt zu werden. Alan war auch in gewisser Weise für sie wichtig, und sie hatte jede Stunde in seiner Gegenwart genossen. Sie konnte und durfte sich aber nicht auf eine neue Beziehung einlassen, denn jegliche Bindung wäre für ihre Pläne hinderlich. Außerdem würde auch Alan sie früher oder später verletzen, und sie wollte niemals wieder verletzt werden. Deswegen sagte sie diplomatisch:
»Alan, ich fühle mich sehr geschmeichelt. Derzeit zählt aber nur meine Mutter für mich. Ich kann und werde keine Entscheidungen treffen, bevor ...« Sie zögerte, das Unweigerliche auszusprechen, Alan hatte jedoch verstanden.
»Ich möchte nur wissen, ob du danach zu deinem Mann zurückkehren wirst.« Die bange Frage ließ Maureens Herz schneller schlagen. »Wenn du das in Erwägung ziehst, dann wäre es besser, wenn wir uns sofort trennen, bevor meine Gefühle für dich sich noch mehr vertiefen.«
»Ich werde nicht nach England zurückkehren und bin sicher, mein Mann wird in eine Scheidung einwilligen.« Die völlig unnötig ist, weil ich ja tot bin, dachte Maureen bitter. »Könntest du es dir in deiner Stellung überhaupt erlauben, eine geschiedene Frau zu heiraten? Was würden deine Freunde und Geschäftspartner, an erster Stelle die Chrichtons,
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