Im Schatten der Vergeltung
führen.
E rleichtert kuschelte Maureen sich in die Kissen, denn sie war müde und Mitternacht war längst vorbei. Der vergangene Abend war zwar anstrengend gewesen, und jetzt empfand sie eine entspannende Müdigkeit, der hoffentlich ein tiefer, traumloser Schlaf folgen würde. Die Träume von Trenance Cove hatten sie schon länger nicht mehr verfolgt. Mit diesem Kapitel ihres Lebens hatte sie abgeschlossen. Sie waren bei den Chrichtons gewesen, hatten einen angenehmen Abend verbracht, und Laura schlief dank einer doppelten Dosis Opium tief und fest. Die Matratze neben ihr gab nach, als Alan ins Bett kam.
»Ich bin froh, dass du dich mit den Chrichtons so gut verstehst«, sagte er, während er die Kerze löschte. »Ich glaube, Lady Isabel hat dich in ihr Herz geschlossen.«
»Hm ... Nette Leute ...«, murmelte Maureen schon fast im Halbschlaf. »Sir Chrichton hat dir viel zu verdanken. Du scheinst wirklich ein ganz passabler Geschäftsmann zu sein.«
Alan grinste und kitzelte Maureen. Sie wehrte seine Hand zwar ab, musste aber trotzdem lachen und war plötzlich hellwach.
»Wenn du wirklich an meine Fähigkeiten glaubst, warum investierst du nicht selbst? Ich hätte da eine ganz hervorragende Sache ...«
»Nein, Alan!« Maureen runzelte die Stirn. »Lady Isabel steht den Aktiengeschäften ebenfalls skeptisch gegenüber, auch wenn bisher alles gut gegangen ist.«
Alan hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Die gute Isabel. Eigentlich habe ich sie nicht als blauäugig eingeschätzt, wie du sie aber heute Abend an der Nase herumgeführt hast ...«
»Was willst du damit sagen?«, entgegnete Maureen scharf. Maureen hatte nicht ablenken und das Thema wechseln können, als Lady Isabel sie aufgefordert hatte, von ihrem verstorbenen Mann zu erzählen.
»Nun, sie scheinen dir deine ach so traurige Geschichte von einem toten Mann bedingungslos zu glauben«, entgegnete Alan mit dem für ihn typischen Unterton. »Dein angeblich verblichener Gatte muss ja der reinste Tugendbold gewesen sein! Hast du das erfunden, oder ist er es tatsächlich? Wenn ja, dann frage ich mich, warum er dich verlassen hat? Wenigstens stimmt der Teil, dass deine Mutter schwer krank ist.« Maureen sagte nichts. Sie wartete ab. Worauf wollte Alan hinaus? Bisher hatte sie nie über ihre Ehe gesprochen. »Wir beide wissen nur zu gut, dass du keine trauernde Witwe bist«, fügte Alan schließlich hinzu.
»Das geht dich nichts an«, sagte Maureen schärfer als beabsichtigt. Sie war müde und wollte schlafen, und nicht mit Alan über Philipp diskutieren.
»Vielleicht doch, mein Schatz. Hast du den Tag vergessen, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind? Damals hast du mir erzählt, dein Mann sei Engländer, und du wolltest ihn mir auf den Hals hetzen, damit er mich verprügelt.« Alan verschränkte die Arme unterm Kopf und grinste. »Schade eigentlich, dass es nie dazu kam. Hätte mir riesigen Spaß gemacht, ihm eine deftige Abreibung zu versetzen.«
Maureen drehte ihm den Rücken zu, das Gespräch begann ihr unangenehm zu werden.
»Können wir jetzt schlafen?«, murmelte sie und zog sich die Decke über den Kopf, als könne sie damit Alan und seine Fragen aussperren. Alan schien heute Abend jedoch in der Stimmung zu sein, sich intensiv in Maureens Angelegenheiten zu mischen.
»Was muss ich also für Schlüsse aus dem, was ich wirklich weiß , und aus dem, was du den Menschen erzählst, ziehen? Weder du noch dein Mann stammen aus Glasgow. Da ich nicht ernsthaft annehme, dass er in den letzten sechs Monaten das Zeitliche gesegnet hat, frage ich mich: Wo ist er? Zurückgekehrt nach England? Wenn ja, warum hat er dich in Schottland zurückgelassen?«
»Weil ich mich wirklich um meine Mutter kümmern muss.« Wie von einer Nadel gestochen fuhr Maureen hoch. »Wie du weißt, liegt sie im Sterben. Es könnte jeden Tag geschehen.«
»Ach, und kaum ist dein Mann fort, sinkst du bereitwillig in die Arme eines anderen? Tut so etwas eine Frau, deren Ehe glücklich ist?«
»Würdest du mich wollen, wenn ich nicht so wäre?«
Alan zögerte keinen Moment mit der Antwort: »Nein, Maureen, denn wir beide sind von der gleichen Art.«
»Was willst du damit nun schon wieder sagen?«
Im schwachen Mondlicht, das ins Zimmer fiel, sah Maureen, wie er auf den Baldachin starrte. Er zögerte einige Zeit mit der Antwort und sah Maureen nicht an, als er sagte: »Eigentlich ist es mir gleichgültig, woher du kommst und wie du früher gelebt hast. Du hinterfragst ja auch
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