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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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ausgleichen und neu anfangen kann«, sagte sie, als die Schmerzwelle abebbte. Schlagartig fühlte sie sich wieder gut.
    »Ja, du schon, daran zweifle ich nicht.« Alan hauchte ihr einen leichten Kuss in den Nacken. »Bei der South Sea Bubble haben viele alles, aber auch wirklich alles, was sie besaßen, in die Kompanie investiert. Sie hofften, schnell und einfach sehr reich zu werden. Nun, als keine Dividenden ausbezahlt werden konnten, waren sie mit einem Schlag bettelarm, hatten Haus, Hof und sogar ihren Titel verloren. Dazu kam noch ein Berg Schulden, den sie niemals im Leben hätten abtragen können. Du weißt, für solche Männer sind Schulden eine Frage der Ehre. Es ist keine Kleinigkeit, Schulden zu haben. Wenn die Gläubiger ein Urteil erwirken können, wird der Schuldner, oft ohne Vorwarnung, ins Gefängnis geworfen, in London meistens ins Clink in der Nähe der London Bridge, ein ganz besonders übles Loch. Dort schmachtet man dann vor sich hin, bis irgendeiner irgendwann die Schulden für einen bezahlt. Da das mehr als unwahrscheinlich ist, vegetieren sie für Jahre, wenn nicht sogar für immer, im Gefängnis. So ist für die meisten der schnelle Tod durch eine Kugel in den Kopf die bessere Alternative.«
    Fassungslos schüttelte Maureen den Kopf.
    »Du willst damit sagen, noch heute nehmen sich Menschen das Leben, nur weil sie Schulden haben?« Alan nickte. »Das müssen aber schrecklich labile und lebensuntüchtige Menschen sein«, fügte Maureen hart hinzu, denn für ein solches Verhalten konnte sie kein Verständnis aufbringen. Für einen kurzen Moment blitzte in Maureens Erinnerung das Gesicht ihres Nachbarn David Linnley auf. Er war so ein labiler Mensch, dem sie durchaus zutrauen würde, sich feige aus dem Leben zu stehlen, als sich der Realität mit allen Konsequenzen zu stellen.
    »Du brauchst dich um solche Dinge nicht zu kümmern, mein Liebling«, riss Alan sie aus ihren Gedanken. »Ich sehe dich nicht in finanziellen Schwierigkeiten, außerdem verspreche ich dir: Sollte dieser Fall jemals eintreten, werde ich dich eigenhändig aus dem Gefängnis befreien, selbst wenn es am Ende der Welt sein sollte!«
    Maureen zweifelte nicht an seinen Worten, sie hatte aber nicht vor, sich derart zu verschulden. Sie und Laura lebten sparsam, und sie vermisste den früheren Luxus auch nicht. Sie war ein einfaches Mädchen gewesen, und nun als Frau zu diesem Leben ohne Wehmut zurückgekehrt. Durch Alans Ausführungen fühlte Maureen sich darin bestärkt, sich niemals auf irgendwelche Aktienspekulationen einzulassen. So verlockend konnte kein Geschäft sein, um ein solches Risiko einzugehen. Trotzdem war sie begierig, so viel wie möglich zu erfahren. Vielleicht würde es ihr eines Tages von Nutzen sein.
    D ie Edinburgher Gesellschaft, in der Alan regelmäßig verkehrte, war klein, aber erlesen. Sie bestand aus Adligen und begüterten Kaufleuten, die über den Winter nicht auf ihre Landgüter zurückgekehrt waren – alles Menschen, die mit und durch Alan gutes Geld verdient hatten. Die Damen und Herren waren unkompliziert, offen und ehrlich, ohne dabei ordinär zu sein. Niemand runzelte pikiert die Stirn, dass Maureen zu Alans ständiger Begleiterin geworden war. Keiner hinterfragte ihre Beziehung, und es wurde akzeptiert, dass sich die Witwe , die sich rührend um ihre todkranke Mutter kümmerte, hin wieder Ablenkung in den Armen eines Mannes suchte, mit dem sie nicht verheiratet war. Maureen hatte sich mit Lady Chrichton ein wenig angefreundet, denn ihr gegenüber musste Maureen sich nicht verstellen, und Isabel Chrichton war eine sehr gebildete Dame. Von ihrem Mann wurde sie nicht aus dem Zimmer geschickt, wenn das Gespräch sich nach dem Dinner politischen Themen zuwandte, und Sir Chrichton bezog seine Frau in all seine Geschäfte mit ein. Während der Zeit hatte Maureen ihre fiktive Geschichte, sie stamme aus Glasgow und wäre seit zwei Jahren Witwe, ein wenig ausgeschmückt. Alan hielt sich dazu bedeckt, obwohl er wusste, dass sie in Wirklichkeit mit einem Engländer verheiratet war und im Süden Englands gelebt hatte. Kam das Gespräch auf ihre Witwenschaft, dann sah Alan sie immer häufiger nachdenklich, fast schon wehmütig an, stellte aber keine Fragen, ebenso wenig wie er ihre Identität vor den anderen gelüftet hätte. Dazu war er viel zu sehr ein Gentleman. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit ihres Lebens, würde Maureen Alan aber niemals erzählen. Es würde nur zu unnötigen Komplikationen

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