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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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letzten Atemzug, denn sie hatte auf dieser Welt nichts mehr zu verlieren.
    D en Kopf in die Hände gestützt, mit glühenden Wangen und gelöstem Haar starrte Maureen auf Papiere, die über den ganzen Tisch verstreut lagen. Sie strich sich eine Locke hinters Ohr und kaute auf ihrer Unterlippe.
    »Ich glaube, jetzt habe ich verstanden«, sagte sie langsam, ohne zu Alan aufzusehen. Er faltete die Zeitung zusammen, legte sie zur Seite, streckte sich behaglich im Sessel und sah Maureen erwartungsvoll an, als sie nachdenklich fortfuhr: »Aristokraten und reiche Kaufleute investieren in Firmen und Unternehmungen, um diese zu vergrößern. Ohne diese Gelder könnten die Firmen nicht expandieren, das heißt, keine neuen Gebäude oder Schiffe erwerben. Im Gegenzug erhalten die Aktionäre anteilig Geld aus den Gewinnen, die die Unternehmen erzielen, ohne dass sie selbst auch nur einen Finger krumm gemacht haben. Ja, die meisten haben gar keine Ahnung, was genau die betreffende Firma überhaupt herstellt oder vertreibt.«
    Alan lächelte und schenkte ihr einen zärtlichen Blick.
    »Nicht schlecht, meine Liebe. Ja, ich denke, in einfachen Worten kann man den Vorgang des Aktienhandels so zusammenfassen.«
    Konzentriert zog Maureen die Stirn kraus, bis eine steile Falte über ihrer Nase entstand.
    »Eines ist mir noch nicht verständlich: Was, wenn die Unternehmen keinen Gewinn erzielen? Wenn sie im Gegenteil erhebliche Verluste machen? Vor ungefähr dreißig Jahren gab es doch einen Skandal, als Dutzende von Anlegern ihr gesamtes Hab und Gut bei der South Sea Bubble verloren. In London kam es zu zahlreichen schrecklichen Szenen, da einige der Geschäftsleute keinen anderen Ausweg als den Selbstmord sahen.«
    Alan erhob sich, trat hinter Maureen und massierte ihren verspannten Nacken. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und gab sich dem wohltuenden Gefühl der Entspannung hin, das seine warmen Hände ihr bereiteten.
    »Du schaffst es immer wieder, mich zu erstaunen, Maureen. Ich hätte nicht gedacht, dass du über den Skandal der Südsee-Gesellschaft informiert bist. Damals warst du doch ein kleines Kind.« Alan machte eine Pause, ohne das Spiel seiner Hände zu unterbrechen. »Von Tag zu Tag überraschst du mich mehr. Schade, dass du einen Ehemann hast, sonst wäre ich beinahe geneigt, dir einen Antrag zu machen, obwohl ich mir nie das Joch der Ehe anlegen wollte.«
    Sein spöttischer Unterton ließ erkennen, wie wenig ernst er seine Worte meinte.
    »Vorsichtig, Alan McLaud, ich könnte dich beim Wort nehmen!«, antwortete Maureen ebenso leichthin. Solche Geplänkel hatten sie schon oft geführt, aber beide wussten, dass ihre Beziehung nur auf Zeit war. Sie seufzte unter seiner entspannenden Massage, plötzlich jedoch durchfuhr heftig und unerwartet ein Schmerz ihren Körper, dass sie laut aufstöhnte und beide Hände auf den Bauch presste.
    »Wieder dein Magen?«, fragte Alan besorgt. »Warum konsultierst du nicht den Arzt? Vielleicht ist es etwas Ernstes?«
    Maureen schüttelte den Kopf. »Es ist nur die Sorge um meine Mutter.«
    Sie sagte Alan nicht, dass die krampfartigen Magenschmerzen in letzter Zeit zugenommen hatten. Ihre Verdauung hatte sich verändert. An manchen Tagen litt sie unter Verstopfung, dann wieder waren die Störungen so kräftig, dass sie sich beeilen musste, rechtzeitig ihr Nachtgeschirr zu benützen. Maureen verdrängte den Gedanken an eine ernsthafte Erkrankung. Sie war überzeugt, dass die psychische Belastung Grund für ihre Schmerzen war. Der Zeitpunkt, an dem sie die Stadt und damit auch Alan verlassen würde, rückte immer näher. Laura würde das Frühjahr nicht mehr erleben. Bisher hatte sie Alan in ihre Pläne nicht eingeweiht und hatte auch nicht vor, ihm etwas von den Gräueltaten zu erzählen. Sie verband eine reine geschäftliche Liaison – zugegebenermaßen mit regelmäßigen sexuellen Begegnungen, die den Nächten durchaus eine gewisse Würze gaben. Sie seufzte leise und überlegte, wie sie das Gespräch wieder auf die Aktien und alles, was damit zusammenhing, bringen konnte. Sie wollte mehr über die Geschäfte erfahren, denen Alan sich mit großem Erfolg widmete. Sie wusste zwar nicht, warum sie Aktien und Spekulationen so brennend interessierten, aber sie war eine Frau, die immer auf der Suche nach neuen Informationen war.
    »Ich kann nicht verstehen, warum man sich umbringt, wenn man Geld verliert. Ich würde die Ärmel hochkrempeln und zusehen, wie ich den Verlust wieder

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