Im Schatten der Vergeltung
informiert, und schon wenige Stunden später war Laura eingesargt und ein Karren und zwei Kutscher besorgt worden, die Maureen bei der Fahrt an die Westküste begleiten würden.
»Ich denke nicht, dass es Schwierigkeiten unterwegs geben könnte«, sagte der Anwalt während Maureen ihre Tasche neben dem Sarg auf der Ladefläche verstaute. »Die Männer sind jedoch bewaffnet. Sollten es jemand wagen, Sie zu überfallen, brauchen Sie keine Angst zu haben, Mylady.«
»Ich habe keine Angst«, erwiderte Maureen. Der Blick, den sie dem Anwalt zuwarf, ließ ihn keinen Moment an ihrer Aussage zweifeln.
»Wenn alles gut geht, können Sie in vier, fünf Tagen Ihr Ziel erreicht haben ...«
»Ja«, sagte Maureen knapp und machte Anstalten, ihr Pferd, eine braune, stämmige Stute, zu besteigen. Sie würde neben dem Karren reiten, denn auf dem Kutschbock war nur Platz für die beiden Männer, außerdem war es angenehmer, als sich tagelang auf der harten Bank durchschütteln zu lassen. Auch diese Stute hatte Mr. Pepys ihr besorgt. Sie brannte darauf, endlich aufzubrechen, sich auf den Weg zu machen – auf den Weg ihrer Vergeltung!
Sie hatte bereits ein Bein im Steigbügel, als sie eine ihr wohl bekannte Stimme ihren Namen rufen hörte. O Gott, Alan!, dachte Maureen und wandte sich ihm zu ihm. Sie hatte gehofft, die Stadt verlassen zu können, ohne Alan noch einmal zu begegnen.
Fassungslos, und auch ein wenig traurig, sah er auf den schlichten Holzsarg.
»Es tut mir so leid, Maureen. Warum hast du nicht sofort nach mir geschickt? Wenn ich dir irgendwie helfen kann …«
»Lass mich gehen, Alan.«
Er starrte sie entgeistert an und schien erst jetzt zu begreifen, was Maureen vorhatte. Er sah auf ihre Reisetasche, dann bemerkte er Maureens Reisekleidung.
»Du willst fort? Davon hast du mir nie etwas gesagt.«
Maureen seufzte und versuchte, sich ihre Ungeduld über die Verzögerung nicht anmerken zu lassen.
»Nun gut, komm bitte mit ins Haus.«
Es war nicht nötig, dass der Anwalt und die Kutscher Zeugen ihres Gespräches werden würden. Auch wenn sie Alan nichts schuldig war, gebot der Anstand, ihn nicht wie einen Bettler auf der Straße stehen zu lassen. Sie führte ihn in den Salon und sagte:
»Der letzte Wunsch meiner Mutter war, in ihrer Heimat bestattet zu werden. Ich werde ihn ihr erfüllen. Darum muss ich mich beeilen, wir wollen gerade aufbrechen.«
»Ich werde dich selbstverständlich begleiten. Als Frau kannst du unmöglich alleine reisen.«
Sie hatte es befürchtet. Aus diesem Grund hatte sie Alan nie von ihren Plänen erzählt. Sie hatte gehofft, bereits meilenweit von der Stadt entfernt zu sein, bevor er vom Tod Lauras erfahren hätte. Wie leicht wäre es, sich einfach an seine Brust zu schmiegen, sich seinem Schutz anzuvertrauen und ihn handeln zu lassen. So wie Philipp für sie immer gehandelt und Entscheidungen getroffen hatte. Sie würde sich jedoch niemals wieder auf einen Mann verlassen oder sich vorschreiben lassen, was sie zu tun hatte. Die Monate mit Alan waren schön gewesen, nun war es aber an der Zeit, ihren Weg alleine zu gehen. Maureen versuchte, Alan nicht zu sehr zu verletzten, als sie sagte:
»Das ist sehr freundlich von dir, Alan, ich werde aber von zwei kräftigen Männern begleitet. Sie sind sogar bewaffnet und werden uns vor möglichen Gefahren beschützen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Aber ...«
»Kein aber!«, unterbrach Maureen, sie konnte ihre Ungeduld nicht mehr zügeln. »Wenn ich ehrlich bin, möchte ich jetzt auch alleine sein. Das ist meine Art, um meine Mutter zu trauern.«
»Du kommst doch wieder? Zurück nach Edinburgh, ja?«
Sie sah die Hoffnung in seinem Blick und fühlte sich sofort schuldig. Nein, sie würde nicht zurückkehren, aber das konnte sie Alan nicht sagen, denn dann würde er sie nicht gehen lassen. Sie würde ihm einen Brief schreiben, wenn sie wusste, was sie im Hause von McCorkindale erwartete. Vielleicht würde sie ihm dann alles erklären und um Verzeihung für ihre Unaufrichtigkeit bitten.
Bevor sie etwas sagen konnte, riss Alan sie in seine Arme und küsste sie stürmisch. Maureen schloss die Augen und kämpfte gegen den Aufruhr ihrer Gefühle an. Es kostete sie einige Überwindung, ruhig und emotionslos zu sagen: »Wir müssen aufbrechen. Wir dürfen nicht viel Zeit verlieren ... wegen des Sarges. Du weißt schon ...«
»Ist es nicht doch besser, wenn ich dich begleite? Ich kann meine Geschäfte ruhig eine Zeit lang ruhen lassen
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