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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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hatte sie sich tagelang zurückgezogen, dann war sie über Wochen geschwächt und blass gewesen, und die Brüder hatten sie sorgenvoll betrachtet. Victoria wagte nicht, sie darauf anzusprechen, war aber insgeheim gekränkt, dass Rebeca sich ihr nicht anvertraut hatte.
    Immerhin – heute würden sie gemeinsame Sache machen. Sie waren übereingekommen, dass es besser war, wenn diejenige, die die Medikamente aus dem Schrank stahl, das Krankenhaus nicht auch noch mit ihnen verlassen sollte: Deswegen würde Rebeca im Hinterhof gleich neben der Wäscherei warten, Victoria ihr die Medikamente übergeben und danach auf normalem Wege die chirurgische Abteilung verlassen, während Rebeca aus einem Fenster der Wäscherei kletterte.
    Victoria verschloss den Schrank sorgfältig, legte den Schlüssel wieder auf dem Türrahmen ab und blickte sich erneut um. Immer noch war weit und breit niemand zu sehen. Sie bemühte sich, ein unbekümmertes Gesicht aufzusetzen, und drückte die Tasche fest an sich, als sie den Gang entlanglief.
    Sie war sich nicht ganz sicher, warum Rebeca so sehr auf diesen Diebstahl drängte. In den letzten Monaten hatte Victoria den Carrizo-Geschwistern immer wieder von ihrem Geld gegeben, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, und dafür hätten sie in jeder Apotheke die Medikamente kaufen können, aber wahrscheinlich ging es Rebeca nicht nur darum, Geld zu sparen, sondern den Nervenkitzel zu genießen.
    Victoria selbst hätte gerne auf diesen verzichten können. Nach den vielen Stunden im Operationssaal fühlte sie sich müde und verschwitzt. Als sie im Hinterhof ankam, stolperte sie, verstauchte sich den Fuß und schimpfte über die eigene Ungeschicklichkeit.
    Fluchend humpelte sie weiter und wollte die ganze Sache einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. In der Nähe der Wäscherei lag Gestank in der Luft. Das dreckige Wasser wurde hier einfach ausgeschüttet, und wenn wie heute keine Sonne schien, so standen tiefe, dreckige Pfützen, deren Geruch nach Exkrementen und Blut Fliegen anzog. Das Summen war der einzige Laut, den Victoria vernahm, als sie beim vereinbarten Treffpunkt ankam – ansonsten war nichts zu hören und niemand zu sehen.
    Victoria war verwirrt. Bis heute fiel es ihr schwer, Rebeca einzuschätzen, aber in solchen Angelegenheiten war sie für gewöhnlich zuverlässig.
    »Rebeca?«, rief sie vorsichtig.
    Die Fliegen rochen ihren Schweiß und schwirrten um ihren Kopf. Sie wedelte mit den Händen, um sie zu vertreiben, und strich sich die verklebten Haarsträhnen zurück.
    Kurz vermeinte sie aus der Wäscherei Schritte zu hören, aber sie verklangen, und niemand erschien.
    »Rebeca?«, fragte sie wieder, und wieder erhielt sie keine Antwort.
    Sie fühlte ein unangenehmes Ziehen in ihrem Magen – und ahnte instinktiv, dass hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging.
    Hoffentlich war Rebeca nichts zugestoßen …
    Sie überlegte, ob sie einfach selbst die Medikamente an der Pforte vorbeischleusen sollte, trat dann aber noch näher an den Eingang der Wäscherei heran. Abermals hörte sie Schritte – und diesmal kamen sie eindeutig auf sie zu.
    Endlich!, dachte sie erleichtert.
    Als die Tür aufgestoßen wurde, löste sie bereits ihre Tasche von der Schulter, um sie Rebeca zu überreichen. Schon lag ihr die Frage auf den Lippen, wo sie so lange geblieben sei.
    Doch dann wich sie zurück. Wer da aus der Wäscherei kam, war nicht Rebeca, sondern Doktor Espinoza, Schwester Adela – und zwei großgewachsene Männer in Uniform. Victoria machte einen weiteren Schritt zurück, unterdrückte jedoch den Drang, fortzulaufen.
    Sie wusste sofort, dass es zu spät war. Man hatte sie erwischt, und sie wollte Doktor Espinoza nicht auch noch den Triumph gönnen, sie auf der Flucht zu stellen.
    Sie reckte ihr Kinn und sah ihm stolz entgegen, während er sie kalt lächelnd musterte. Sein Blick blieb an ihrer Tasche hängen.
    »Wie es scheint, haben wir unsere Diebin endlich gefunden.«

    Victoria fiel hart auf den Boden. Sie schlug schmerzhaft mit Kopf und Schulter auf, biss sich dabei auf die Zunge und schmeckte Blut. Trotz des glühenden Schmerzes fühlte sie auch Erleichterung, keinem festen Griff mehr ausgeliefert zu sein. Die Männer, die sie abgeführt hatten, waren so brutal vorgegangen, als drohte große Gefahr von ihr. In Wahrheit hatte sie sie sich nicht gewehrt – weil es schlichtweg sinnlos war. Sie hatte Espinoza ihre Tasche überreicht, zugesehen, wie er sie mit einem

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