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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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selbstgefälligen Gesichtsausdruck öffnete und die gestohlenen Medikamente hervorzog. Vermeintlich gleichmütig hatte sie ihm zugehört, als er erklärte, dass er sich darüber ganz und gar nicht wunderte, dass sie nie wieder ein Krankenhaus betreten würde, weder dieses noch ein anderes, und dass man sie als gemeine Diebin vor Gericht stellen würde. Sie hatte kein Wort gesagt, war auch bereit, freiwillig mit den Männern – offenbar Polizisten – mitzugehen, doch die hatten sie so roh ergriffen, als wäre sie eine Wahnsinnige, die wild um sich schlug.
    Als sie aus Espinozas Sichtfeld verschwunden waren, hatte sie ihre Züge nicht länger beherrschen können. Ihre Verwirrung, ihre Ohnmacht, ihre nackte Angst wurden übermächtig: Warum war Rebeca nicht hier? Warum hatte Espinoza gewusst, dass sie ausgerechnet bei der Wäscherei auftauchen würde? Was würde nun mit ihr passieren?
    Mehr instinktiv als willentlich strampelte sie nun doch und wurde noch fester gepackt. Zorn erwachte, und sie spuckte einem der Männer ins Gesicht. »Hijo de puta!«, zischte sie.
    Ihr Lohn war ein Schlag in die Magengrube, so dass sie die letzten Schritte zur Kutsche gekrümmt hinter sich brachte. Man zwang sie hinein und warf sie auf den Boden, wo sie jede einzelne Umdrehung der Räder in sämtlichen Gliedern spürte. Dann und wann wurde ihr ein weiterer schmerzhafter Stoß versetzt, so dass ihr Körper, als sie im Gefängnis ankamen, von Kratzern und blauen Flecken übersät war.
    Sie hatte sich nun besser im Griff, beschimpfte die Männer nicht mehr, verlangte jedoch, ihren Anwalt zu sprechen. »Er heißt Juan Carrizo! Er muss sofort kommen! Er wird mich hier herausholen!«
    Sie wusste – ihr Flehen war zwecklos. Zu oft hatte sie selbst erlebt, wie die Rechte von Menschen mit Füßen getreten wurden, sie verhaftet, oft wochen-, wenn nicht monatelang in Gefängnisse gesperrt wurden und schließlich nur freigelassen wurden, weil die Gefängnisse überfüllt waren.
    Sie war sich auch nicht sicher, ob es Espinoza wirklich darauf anlegte, sie vor Gericht zu bringen. Er wollte sie aus dem Krankenhaus verjagen – und das war ihm endlich geglückt. Was nun mit ihr geschah, interessierte ihn wohl nicht mehr – niemanden schien es zu interessieren.
    Während sie nach Juan verlangte, wurde sie aus dem Wagen gezerrt, in das graue Gebäude gebracht, mehrere Gänge entlanggestoßen und schließlich in eine Zelle geworfen.
    Dort blieb sie erst mal gekrümmt liegen und schluckte das Blut in ihrem Mund. Die Erleichterung, keine Hände mehr auf sich zu spüren, schwand, als sie sich umsah und stöhnend feststellte, wohin sie da geraten war. Stickig und niedrig war der Raum, die Wände waren klebrig, auf dem Boden lag verfaultes Stroh. Darunter befand sich ein bräunlicher Matsch, von dem sie gar nicht wissen wollte, was es war. Es stank durchdringend nach Exkrementen, und auch hier flogen brummend Fliegen um ihren Kopf wie vorhin vor der Wäscherei.
    Sie hatte sich noch nie so schmutzig gefühlt und noch nie so einsam. Rebeca … Jiacinto … Ob sie schon erfahren hatten, was ihr zugestoßen war? Und ob, falls es so war, Jiacinto sich Sorgen um sie machte?
    Der Gedanke ließ Wärme in ihr aufsteigen und gab ihr Mut, aufzustehen. Die Schmerzen waren erträglich, die Angst, die sie gleich im nächsten Moment packte, nicht. Ein Stöhnen erklang nicht weit von ihr – ein Zeichen, dass sie nicht die einzige Gefangene war.
    In der gegenüberliegenden Ecke hockten zwei Gestalten und erhoben sich nun zögerlich – beides Männer, wie sie mit wachsendem Entsetzen feststellte. Obwohl das Licht trüb war und ihre Gesichter dunklen Masken glichen, glaubte sie zu sehen, wie einer grinste.
    »Warum ist so eine hübsche Kleine hier?«, fragte er gedehnt.
    Er trat auf sie zu, noch ganz langsam, gemächlich, doch Victorias Körper spannte sich unwillkürlich an. Vermeintlich kalt gab sie zurück: »Und warum seid ihr hier?«
    Gelächter ertönte. »Wir haben bei der letzten Chingana etwas zu viel getrunken.«
    Chinganas waren Feste in den Armenvierteln, bei denen gespielt, gesoffen, gehurt wurde und man sich mit Hahnenkämpfen und Prügeleien amüsierte. Diese beiden hier hatte man wohl in die Zelle geworfen, damit sie ausnüchterten oder sich im Suff gegenseitig totprügelten. Wahrscheinlich war der Obrigkeit beides recht.
    Warum aber hatte man sie als Frau ausgerechnet zu ihnen gesperrt? Weil keine andere Zelle frei war? Oder als Zeichen besonderer

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