Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
anderen Teil angeht – das ist die Apotheke in Valparaíso. Eigentlich sollte sie einmal dir gehören, und eigentlich müssten dir Ludwig und Elvira Kreutz einen Anteil vom jährlichen Gewinn auszahlen. Aber sie sträuben sich, behaupten, dass sie zu Lebzeiten deiner Eltern am Geschäft maßgeblich beteiligt gewesen wären und dass es eigentlich ihnen zustünde. Natürlich könntest du einen Rechtsstreit anstreben – aber da du obendrein unter ihrer Vormundschaft stehst, bis du einundzwanzig bist, wird es schwierig …«
    Victoria riss die Augen auf. »Aber ich dachte, du wärst mein Vormund!«
    »Nun pro forma eigentlich nicht. Die Kreutz’ waren froh, dass ich dich seinerzeit aufgenommen und mich bereit erklärt habe, über deine Erziehung zu wachen, aber wir haben es nie wirklich gesetzlich geregelt. Solange es ihnen finanzielle Vorteile bringt, werden sie dich auch nicht aus ihrer Vormundschaft entlassen. Auf das Barvermögen, das dir deine Eltern hinterlassen haben, haben sie nicht gewagt zuzugreifen, aber das ist nun, wie gesagt, aufgebraucht. Die Apotheke wiederum …«
    Victoria stützte ihren Kopf auf die Hände und rieb sich die Schläfen. Sie fröstelte und fühlte Kopfschmerzen aufsteigen.
    »Lass uns morgen weiterreden … Ich kann jetzt keinen klaren Gedanken fassen.«
    »Wir müssen nicht weiter darüber reden. Wie ich sagte: Du bist mein Gast, solange du es willst, ich werde nie zulassen, dass Emilias Tochter Not leidet. Aber du musst dir überlegen, was du aus deinem Leben machst – ohne Geld … und ohne Anstellung am Krankenhaus …«
    Schweigend löffelte sie die Suppe, und Pepe tat es ihr gleich.
    Victoria erhob sich. »Ich … ich muss jetzt zu den Carrizos und nach Rebeca sehen.«
    In Valentinas Gesicht regte sich weder Zustimmung noch Missbilligung. Wie immer ließ sie Victoria vollste Freiheit, und kurz, ganz kurz erwachte in ihr die Sehnsucht nach jemandem, der sie nicht einfach machen ließ, der sie stattdessen aufs Zimmer schickte, ihr befahl, zu essen und zu schlafen, und der versprach, sich selbst darum zu kümmern, dass alles gut würde.
    Über das eigene Leben zu bestimmen war etwas, was sie immer eingefordert hatte und genoss – nur jetzt, da sie die Treppe hinunterging, war es ihr kurz eine Last.

    Es war bereits stockdunkel, als Victoria das Haus verließ. Die Straße, wo die Veliz’ wohnten, war zwar beleuchtet, nicht aber manches Gässchen, das den Weg zu den Carrizos abkürzte. Für gewöhnlich mied sie solche Orte am späten Abend. Doch heute konnte nicht einmal die Erinnerung an das, was ihr im Gefängnis beinahe zugestoßen wäre, die Furcht vor zwielichtigen Halunken schüren, die sich hier herumtrieben. Sie musste zu den Carrizos, so schnell wie möglich!
    Sie war erleichtert, als sie aus der Ferne schließlich die Wohnsiedlung sah, und noch erleichterter, als sie erkannte, wer auf der Straße davor auf und ab ging: niemand anderer als Rebeca selbst.
    Sie stürzte auf sie zu. »Gottlob, man hat dich nicht verhaftet!«
    Rebeca zuckte zusammen, als sie sie packte, und befreite sich dann unsanft. »Sie haben dich wieder aus dem Gefängnis gelassen?«, stellte sie gedehnt fest.
    Victoria starrte sie verwirrt an. Was sie eben noch so froh gestimmt hatte, befremdete sie nun: Wenn Rebeca nicht verhaftet worden war – und nichts deutete darauf hin, dass sie ähnliche Torturen hinter sich hatte wie sie –, warum war sie nicht zum Treffpunkt gekommen? Warum war ihr Gesicht so kalt, so hart, so verächtlich – vor allem aber: frei von jeder Sorge um sie? Warum ging sie hier seelenruhig auf und ab?
    Und noch etwas anderes irritierte Victoria an ihrer Frage.
    »Da du nicht zum Treffpunkt gekommen bist – woher weißt du überhaupt, dass ich verhaftet wurde?«
    Rebeca zuckte nur die Schultern und trat einen Schritt zurück.
    »Und warum bist du nicht gekommen? Wusstest du etwa, dass Espinoza auf der Lauer lag? Warum hast du mich dann nicht gewarnt?«
    Sie stellte mit Absicht so viele Fragen – weil sie bei jeder einzelnen die Antwort fürchtete. Erst jetzt konnte sie sich eingestehen, was sie geahnt hatte: Nicht Sorge um Rebeca hatte sie so spät am Abend hierhergetrieben. Sondern das vage Unbehagen, dass diese sich nicht dieselben Sorgen um sie machen würde.
    Rebeca lächelte kalt. »Du dummes kleines Mädchen!«, stieß sie aus.
    Der Boden schien unter Victorias Füßen zu wanken. »Wie … was …«, stammelte sie, riss sich dann aber, als sie sah, wie

Weitere Kostenlose Bücher