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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Rebecas Verachtung noch wuchs, zusammen und brachte, ohne zu stammeln, hervor: »Du bist nicht gekommen, weil du wusstest, was passieren würde. Und du hast mich nicht gewarnt, weil du mich selbst an Espinoza verraten hast.«
    Wieder zuckte Rebeca nur die Schulter. »Na also …«, lästerte sie, »… doch nicht so lahm im Kopf, wie man manchmal meinen könnte.«
    Victoria nahm die Beleidigung gar nicht wahr. Was war sie, gemessen an dem Schmerz, den der Verrat ihr zufügte? »Aber warum nur?«, stieß sie heiser aus.
    »Warum, warum?« Rebeca hob fragend die Arme. »Nun, du hast kein Geld mehr. Zumindest hat Valentina so etwas unlängst angedeutet – ich weiß gar nicht, ob du das überhaupt bemerkt hast. In jedem Fall bedeutet das: Du hast keinen Wert mehr für uns …«
    »Aber …«
    »Mein Gott, Victoria! Das war das Einzige, was uns je interessierte – dass du Geld hast! Als wir uns damals im Krankenhaus getroffen haben, habe ich mich genau über dich erkundigt. Denkst du, ich hätte so lange bei diesen grässlichen Kranken gearbeitet, wenn ich nicht einen guten Grund dafür gehabt hätte? Nämlich dein Vertrauen zu gewinnen?«
    Victoria blickte sie verständnislos an. Sie hörte jedes Wort, aber sie konnte es nicht glauben. Sie konnte auch nicht glauben, dass es Rebeca war, die da vor ihr stand. Gewiss, sie war manchmal bösartig, sogar wahnsinnig; sie hatte sie oft sehr distanziert und verächtlich behandelt. Aber sie hatte nie … berechnend gewirkt.
    »Wir führen doch einen gemeinsamen Kampf!«, schrie sie auf.
    »Ach was«, wiegelte Rebeca ab, »von wegen gemeinsam! Du warst uns nützlich, aber du hast nie zu uns gehört.«
    Victoria schwindelte. Sie hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen und glaubte doch, sich sogleich übergeben zu müssen. Du bist kein Straßenköter … hatte Jiacinto einst zu ihr gesagt. Meinte Rebeca das Gleiche? Oder etwas anderes?
    Fest stand, dass sie nie ihre Freundin gewesen war.
    »Vielleicht magst du mich nicht besonders«, rief Victoria wütend, »vielleicht war ich dir nur Mittel zum Zweck. Und vielleicht kann ich tatsächlich nicht verstehen, wie ihr lebt und leben musstet. Aber ich bin doch eine Frau! Ich bin eine Frau wie du!«
    »Na und?«
    »Das oberste Gebot aller Feministinnen ist es doch, zusammenzuhalten und sich zu unterstützen, egal, ob man zur Oberschicht oder zu den Arbeitern gehört.«
    Rebeca lachte, nicht auf diese schrille, glucksende Art, wie sie ihr zu eigen war, sondern das kalte Lachen resignierter Menschen. »Wer sagt dir denn, dass ich eine Feministin bin?«
    »Aber du hast doch immer …«
    »Die Politik, die Ideologie«, fiel Rebeca ihr scharf ins Wort, »das ist die Sache meiner Brüder, nicht meine. Ich tue ihnen den Gefallen und gebe vor, sie ernst zu nehmen. Aber eigentlich ist mir egal, was sie denken und glauben. Ich will frei sein und meinen Spaß haben, mehr nicht.«
    Etwas zerbrach in Victoria, und sie wusste, es würde nie wieder heil werden. Kurz wunderte sie sich, dass sie sich aufrecht halten konnte, dass sie sich nicht gegen die Hauswand lehnte oder gar zu Boden stürzte. Erst später begriff sie, dass es Stolz gewesen sein musste, der ihr inmitten dieses reißenden Meers aus Lügen und Betrug noch festen Stand erlaubte.
    »Weiß Jiacinto, was du mir angetan hast?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Dass du mich nur ausgenutzt hast … und mich verraten?«
    »Denkst du etwa, es würde ihn interessieren?«
    »Ich habe ihn geküsst, ich habe mit ihm … geschlafen.«
    Da trat Rebeca zu ihr, umfasste ihre Schultern und drückte sie kurz. Victoria konnte ihren warmen Atem spüren – und Tropfen ihres Speichels, als sie raunend fortfuhr: »Weil ich ihm gesagt habe, er solle es tun. Ich habe gleich erkannt, dass du eine Schwäche für ihn hast – und ich habe ihm eingeredet, dass wir es ausnützen sollten.«
    Sie ließ sie wieder los, und da war kein Stolz mehr, der sie aufrecht hielt, nur tiefste, bitterste Enttäuschung. Dass sie erneut nicht fiel, lag daran, dass sie zu erstarrt war, wie tot. Sie konnte kaum atmen, und hätte ihr jemand gesagt, dass ihr Herz aufgehört habe zu schlagen, sie hätte es geglaubt.
    »Geh heim, kleines Mädchen!«, höhnte Rebeca. »Die Straße ist ein zu gefährlicher Ort, um dort zu spielen.«
    Victoria wandte sich mit Mühe ab, aber sie hatte keine Kraft, den ersten Schritt zu tun und zu fliehen. Sie wusste nicht, was sie am meisten lähmte, Enttäuschung oder Wut oder tiefe

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