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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Beschämung.
    »Keine Gosse ist so dreckig wie die Abgründe deines Herzens«, zischte sie.
    »Mag sein«, knurrte Rebeca. »Aber so ist die Welt. Und du wirst sie nie begreifen, weil du zu gut dafür bist.«
    Sprach’s und ließ sie grußlos stehen. Nun konnte Victoria nicht anders, als sich gegen die Hauswand zu lehnen. Sie schloss die Augen, fühlte kalten Schweiß auf ihrer Stirn. Sie wusste nicht, welcher Drang größer war – sich zu übergeben oder zu weinen. Am Ende blieb sie stehen, hoffte, dass dieser Schmerz irgendwann nachlassen würde, und tat keins von beiden.

    Rebeca lief nur eine Straße weiter, um nunmehr dort auf und ab zu gehen. Als sie plötzlich Schritte hörte, die näher kamen, blieb sie zwar stehen, drehte sich aber nicht um. Sie wusste, wer hinter ihr stand, in seiner Tasche kramte, ihr schließlich einen Packen Geldscheine zusteckte. Sie nahm sie schweigend und verstaute sie in ihrem Hosenbund.
    »Ich gehe davon aus, dass ich Sie nie wiedersehe«, sagte Doktor Espinoza lauernd.
    Erst jetzt wandte sie sich ihm zu. Während sie nickte, musterte sie ihn. Sie hatte mit ihm gemeinsame Sache gemacht, weil es für sie nützlich gewesen war, aber nicht bis ins Letzte ergründet, was ihn dazu antrieb und warum er Victoria seit Jahren hasste. Lag es daran, dass ihm jede Art von Unruhestifter zuwider war? Oder hatte es mit seinem Hass auf alle Deutschen zu tun, die im chilenischen Gesundheitswesen oft bessere Positionen einnahmen als seine Landsmänner?
    Sie konnte an seinem ausdruckslosen Gesicht keine Antwort ablesen.
    »Warum«, fragte sie unwillkürlich, als er sich schon wieder zum Gehen wandte, »warum wollten Sie Victoria um jeden Preis loswerden?«
    Espinoza zögerte kurz, ihr zu antworten. Im Grunde erachtete er sie wohl als zu minder, um sich länger als unbedingt notwendig mit ihr abzugeben. Aber offenbar war er auf den Plan, den er ausgeheckt hatte, so stolz, dass er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, damit zu prahlen. »Es geht mir gar nicht so sehr darum, sie loszuwerden«, gab er schließlich zu, »gewiss, sie war mir anfangs ein Dorn im Auge, mit dieser Aufmüpfigkeit, dieser Arroganz! Abgesehen davon war sie aber eine ganz brauchbare Krankenschwester. Nun kann sie mir jedoch auf andere Weise nützlich werden.« Er machte eine kurze Pause. »Wenn Victoria – wie jetzt – in einer Notsituation steckt, wer könnte ihr dann besser helfen, wenn nicht Aurelia Hoffmann?«
    Rebeca runzelte die Stirn. Sie mochte verschlungene Gedankengänge und ausgefeilte Intrigen, aber sie konnte nicht nachvollziehen, wohin sich Doktor Espinoza da verstieg.
    »Und was haben Sie davon?«, fragte sie verwirrt.
    Er lachte auf. »Nun, mein Sohn wird Aurelia natürlich auf Victorias Notsituation aufmerksam machen … als Zeichen seiner Anteilnahme an ihren familiären Belangen, und somit als Zeichen seiner ehrlichen Freundschaft. Er hat sich letztens immer mehr von Tiago entfremdet. Es ist Wochen, wenn nicht gar Monate her, dass wir Gast bei der Familie Brown y Alvarados waren. Das möchte ich ändern.«
    Sein Gesicht blieb nicht länger ausdruckslos, sondern verzerrte sich verächtlich. »Überdies liege ich William Brown seit Jahren in den Ohren, seine soziale Ader damit zu beweisen, ein eigenes Privatkrankenhaus zu finanzieren. Ich fürchte nur, dass es mir nicht gelungen ist, ihn sonderlich fürs Gesundheitswesen zu interessieren. Bei Tiago sieht das eines Tages vielleicht ganz anders aus. Wenn ich es schaffe, dass ihm Aurelia die rechten Bitten einflüstert und Victoria wiederum Aurelia, und mein Sohn an rechter Stelle die Sache lenkt … nun dann …«
    »Sie meinen, weil Victoria sonst an keinem anderen Krankenhaus mehr arbeiten kann, ist sie auf ein neues angewiesen, wo dann ausgerechnet Sie sich ihr gnädig erweisen … nicht um ihret-, sondern um Aurelias willen, wobei es Ihnen auch nicht um Aurelia geht oder Tiago, sondern Ihre Zukunft und die Ihres Sohnes.«
    Espinoza schwieg – Rebeca hingegen schüttelte den Kopf. »Es muss schrecklich anstrengend sein, vor Menschen wie Aurelia und Tiago zu buckeln, wenn Sie doch letztlich keine gute Meinung von ihnen haben, sie vielmehr als Spielfiguren benutzen, die man beliebig verschieben kann.«
    Ein grimmiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. »In der Tat, ich hasse diese reichen Menschen«, entfuhr es ihm bitter. »Sie glauben tatsächlich, sie könnten sich alles erlauben; sie hätten ein Recht auf all das, was ihnen zufällt,

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