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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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an den Mund, als gelte es, mühsam zu begreifen, was er da getan hatte und warum.
    »Jacob …«, flüsterte sie.
    Entsetzen stand in seinem Gesicht geschrieben, altvertraute Verzweiflung – und plötzlich Erkennen.
    »Eine Frau!«, stieß er aus. »Es gab eine Frau in meinem Leben … Ich weiß es, zwar nicht, wie sie heißt, nicht, wie sie aussieht, aber dass ich sie liebe … unendlich liebe …«
    Er wandte sich abrupt ab und stürmte auf die Maultiere zu.
    »Jacob …«
    »Ich muss sie suchen!«
    »Aber wenn du doch nicht weißt, wer sie ist!«
    »Ich muss sie suchen!«, wiederholte er, und diesmal schrie er.
    Auch sie trat nun aus dem Schatten des Tamarugobaums. Ihre Blicke trafen sich, und während ihrer voller Schmerz und Sehnsucht war, war der seine leer. Er sah sie an, aber zugleich durch sie hindurch. Die Nähe, die Vertrautheit, die sie vor wenigen Augenblicken erlebt hatten, hatte er nicht ihr geschenkt, nur dieser fremden Frau. Sie war nichts weiter als ein Ersatz für ihn – und würde es immer bleiben, selbst wenn er jene andere nie wiederfand.
    Die Erkenntnis, dass sie mehr für ihn empfand als er für sie, traf sie härter als erwartet. Auch wenn er nicht wusste, wer er war – er hatte eine Vergangenheit. Und auch wenn sie sich eingeredet hatte, sie könnte es an seiner Seite abschütteln, wiederholte sich ihr Schicksal.
    Am Ende bin ich allein …
    »Ich muss sie suchen«, stammelte er nunmehr ganz leise, »auch wenn ich nicht weiß, wo ich damit anfangen soll …«
    Sie ritten schweigend heim, warfen sich nur dann und wann vorsichtige Blicke zu. Sie spürte seinen Schmerz, und vielleicht spürte er ihren, doch dieser Schmerz einte sie nicht, sondern vertiefte die Kluft, die sich plötzlich zwischen ihnen aufgetan hatte.

    Bis zum Abend konnte Victoria die Fassung wahren und sich vorgaukeln, dass Jacobs Zurückweisung ihr nichts ausmachte. Doch als sie bei Einbruch der Dunkelheit wie immer neben Salvador auf der Bank Platz nahm, konnte sie nicht länger vor ihren Gefühlen davonlaufen. Sie war getroffen und tief gekränkt, wenn sie auch nicht genau wusste, warum. Eigentlich kannte sie Jacob zu wenig, um sich in ihn zu verlieben wie einst in Jiacinto – mit all den Unsicherheiten, Ängsten, Sehnsüchten und der Verzweiflung. Gewiss, sie war von Jacob fasziniert und fühlte sich von ihm angezogen – allerdings nicht von dem, was er war, sondern von dem Geheimnis, das ihn umgab. Und überdies war es verständlich, dass er sie – wie auch jede andere Frau – zurückweisen würde, solange er keine Erinnerungen hatte.
    Dennoch: Sie hatte das Gefühl, einen schmerzhaften Schlag erhalten zu haben, und wusste plötzlich, dass sie nicht wieder aufhören könnte zu weinen, wenn sie erst einmal damit anfing. Noch gelang es ihr, die Tränen zu unterdrücken, aber der Kampf gegen sie machte alles noch schlimmer. Ihre Kehle wurde schmerzhaft eng.
    Salvador rauchte zunächst seelenruhig weiter, als würde er ihren inneren Aufruhr nicht bemerken, doch irgendwann legte er plötzlich seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Victoria war verwirrt. Sie hatte gedacht, dass ein Mann wie er, weder sonderlich herzlich noch charmant, den Umgang mit Frauen nicht geübt war, dass jede Berührung darum steif und vorsichtig ausfallen würde. Doch sein Arm ruhte so selbstverständlich auf ihren Schultern, dass sie unwillkürlich ihren Kopf darauf sinken ließ. Es war beruhigend, so zu verharren und zu fühlen, dass sie sich ihm nicht lang und breit erklären musste, sondern dass er zu ahnen schien, was geschehen war.
    »Es ist lächerlich, deswegen zu leiden«, murmelte sie, »ich weiß nicht einmal, wer er ist.«
    Verstohlen wischte sie sich eine Träne ab.
    »Man fühlt, was man fühlt. Und meistens gibt es einen guten Grund dafür. Was soll daran lächerlich sein?«, gab er zurück.
    »Aber ich weiß doch nicht einmal, was ich fühle!«, brach es aus Victoria heraus. »Gewiss, Jacob ist mehr geworden als nur mein Patient, und dennoch … dennoch …« Sie rang nach Worten, fand jedoch keine.
    »In jedem Fall fühlst du dich ihm nahe.«
    Victoria atmete tief durch. »Es hat nicht nur mit ihm zu tun«, gestand sie sich ein, »sondern auch damit, dass ich immer nur die … Zweite bin. Er weiß nicht, wer sie ist – aber er liebt eine andere Frau. Mich hingegen kann er gar nicht lieben, obwohl ich doch so viel für ihn getan habe. Ich habe ihm das Leben gerettet, ich habe ihn wochenlang

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