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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gepflegt, ich habe …« Sie brach ab. »Nun gut«, schränkte sie ein, »dies ist mein Beruf … meine Pflicht als Krankenschwester … aber … aber … ich habe auch für Jiacinto alles getan, obwohl das nicht meine Pflicht gewesen ist. Ich habe den Carrizos mein ganzes Geld gegeben, ich habe versucht, ihn zu beeindrucken, ich habe alles, was er sagte, als Wahrheit hingenommen, und am Ende …«
    Sie schluckte trocken. Plötzlich war es ihr unangenehm, dass sie sich so hatte gehenlassen. Salvador wusste nicht einmal, wer die Carrizos waren, wie sollte er ihre wirren Worte verstehen? Sie wollte von ihm abrücken, doch er hielt sie fest.
    »Ich verstehe nicht viel von der Liebe«, murmelte er zwischen zwei Zügen an seiner Pfeife. »Aber ich denke mir, dass du verdient hast, für das geliebt zu werden, was du bist, und nicht für das, was du tust.«
    Victoria schüttelte unwirsch den Kopf. »Wer bin ich denn?«, rief sie. »Die meisten Männer sehen mich an und denken, dass es Frauen gibt, die schöner sind und weicher und lieblicher und freundlicher. Ich hingegen bin zu spröde, zu streng, zu hart und …«
    »Ach was«, fiel er ihr ins Wort. »Du bist wie die Wüste – und diese Wüste ist auf den ersten Blick karg und abweisend und gewiss kein Ort für die Verweichlichten. Aber niemand kann behaupten, dass die Wüste langweilig wäre oder ob der Kargheit ohne Farben: Gewiss, zunächst mag man kaum mehr sehen als die grauen und ockerfarbenen Hügel, doch in der Ferne schimmern schneebedeckte Vulkane, und inmitten der Berge warten tiefblaue Lagunen, grüne Oasen und Salzseen, die im Abendlicht in sämtlichen Pastelltönen funkeln. Wenn im Oktober und November manchmal Regen fällt, ist die Wüstenlandschaft übersät von Blumen. Und auch wenn die Blumen wieder vertrocknen – dort, wo der Küstennebel kondensiert, gedeihen dunkelgrüne Farne, Olivillo- und Arrayánbäume. Man muss sie nur zu finden wissen, man muss aufmerksam für die Kleinigkeiten werden. Weißt du, in der Wüste werden die Sinne sensibel. In der lauten, schönen, bunten Welt sieht man so vieles nicht, wird man so blind. Hier aber ist ein rot-gelber Schmetterling, der wie aus dem Nichts geflattert kommt, bereits ein Wunder. Und ja, du bist wie die Wüste.«
    Als er geendigt hatte, zog er wieder an der Pfeife. Der süßliche Geruch wurde plötzlich übermächtig, schien jede Pore ihres Körpers zu durchdringen, und Victoria war sicher, dass sie ihn nie wieder von Salvador und diesem Abend trennen könnte. Sie hatte gebannt gelauscht – zutiefst bewegt davon, dass Salvador überhaupt so viele Worte machte, dass sie so poetisch klangen und dass jedes einzelne dazu diente, ihr die alte Selbstsicherheit wiederzugeben.
    Die Tränen ließen nach, stattdessen wollte sie den Mund öffnen, um ihm für den Zuspruch zu danken. Doch ehe sie etwas sagen konnte, zog er seinen Arm von ihren Schultern, erhob sich abrupt und hinkte in die Hütte, ohne ihr eine gute Nacht zu wünschen.

    Aurelia stockte der Atem. Hector war stehen geblieben, blickte forschend nach rechts und links. Er musste sie entdeckt haben … war sich allerdings noch nicht sicher, wer da dieser Schatten in der Dunkelheit war.
    »Wer ist das?«, rief er streng.
    Aurelia überlegte hektisch, wo sie sich verstecken konnte. Es war zu weit, um den Schutz der Häuser zu erreichen, und auch bis zum Stall konnte sie nicht laufen, ohne von ihm gesehen zu werden. Es gab weder einen Busch noch einen Baum, um sich dahinter zu verstecken. Wenn er noch einen Schritt weiter auf sie zumachte, würde er sie erkennen – wenn sie einfach vor ihm davonlief, würde er zwar ihr Gesicht nicht sehen, aber sie hören und ihr folgen.
    Angst und Panik drohten ihr die Kehle zuzuschnüren. Sie wollte schon die Schulter straffen, ihm entgegentreten, um wenigstens letzte Würde zu bewahren, als plötzlich eine Stimme ertönte.
    »Ich bin es! Ich bin es nur!«
    Nicht weit von ihr entfernt trat Marisol aus dem Dunkeln des Hofs. Offenbar war sie ihr dorthin gefolgt und gab nun vor, diejenige gewesen zu sein, die Hector gehört hatte.
    »Was hast du hier zu suchen?«, schrie er sie an.
    Marisol trat an Aurelia vorbei und ging, während sie seine Frage beantwortete, immer weiter von ihr fort, so dass Hector ihr notgedrungen folgen musste und nicht bemerkte, dass sich noch eine zweite Gestalt in der Dunkelheit verbarg.
    »Es … es fällt mir schwer, es zu sagen«, stammelte Marisol hilflos, »aber ich muss es

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