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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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daran fast zu ersticken.

    Als sie am übernächsten Tag in Santiago ankamen, glühte Aurelias Kopf heiß vor Fieber. Ihr vom Regen durchnässtes Kleid war zwar getrocknet, allerdings brach ihr immer wieder der Schweiß aus, der danach kalt am Körper klebte. Sie fror nicht mehr und zitterte dennoch wie Espenlaub. Das Sonnenlicht tat ihr in den Augen weh – ein nichtiges Leid verglichen zu den Schmerzen in der Brust. Wenn sie einatmete, ertönte ein rasselndes Geräusch, wenn sie ausatmete, hustete sie meist und spuckte gelblichen Schleim. Sämtliche Glieder taten weh, und wenn sie sich auch anfangs eingeredet hatte, dass dies die Folge der kräftezehrenden Flucht auf dem Pferderücken war, konnte sie sich nun nicht länger täuschen: Sie war krank, sehr krank. Sie brauchte ein Bett, einen Arzt, Medizin.
    Erstmals seit Stunden, da sie immer nur auf den Pferderücken gestarrt hatte, blickte sie sich um. Ihr Tier war dem von Luis nachgetrabt, und der hatte die breite Hauptstraße genommen, die mitten ins Zentrum der Stadt führte. Sie erschien ihr völlig fremd, als hätte sie hier nie gelebt. In einem riesigen, dunstverhangenen Moloch war sie gelandet, voller Stimmen, die ihr die Ohren zu zerreißen schienen, voller Gerüche, die ihre Lungen verpesteten. Eine Straße schien der anderen zu gleichen – und keine war vertraut. Händler priesen die Waren, die sie in Körben mit sich trugen; die feineren Geschäfte wurden eben geöffnet. Tauben und Spatzen flogen an ihrem Kopf vorbei.
    Die Kirche … zumindest die Kirche dort vorne kam ihr bekannt vor. Hier war sie einmal gewesen, auch wenn sie nicht mehr wusste, ob mit Tiago oder Alicia. Sicher war sie sich nur, dass die Espinozas in der Nähe lebten, und obwohl sie eigentlich geplant hatte, zuerst zu Valentina und Pepe zu flüchten, dachte sie nun, dass das vielleicht sein Gutes hatte. Doktor Espinoza würde William womöglich sogleich davon berichten, wenn sie in seinem Haus auftauchte – aber trotz allem war er Arzt und würde ihr helfen, und noch bedrohlicher als William waren diese Hustenanfälle.
    Zwei Straßen von den Espinozas entfernt hielt sie das Pferd an und rutschte seitlich vom Rücken. Ihr war, als würde der Boden unter ihren Füßen nachgeben – ehe sie begriff, dass es nicht der Boden war, der zitterte, sondern ihre Knie und diese kaum ihr Gewicht tragen konnten. Sie klammerte sich am Pferd fest, während Funken vor ihren Augen explodierten. Ewigkeiten schienen zu vergehen, bis sich das Bild klärte und sie blinzelnd zu Luis hochschauen konnte.
    »Wenn du willst, kannst du das Pferd haben, ich brauche es nicht mehr.«
    Noch während sie es sagte, ging ihr auf, dass das vielleicht ein Fehler war – desgleichen, wie sich nun bei Luis zu bedanken und von ihm zu verabschieden.
    Was sollte sie tun, wenn die Espinozas sie vor die Tür setzten?
    Doch als Luis, ihr Pferd am Zügel führend, davonritt, hielt sie ihn nicht auf. Ihr Kopf schien wie in dicke Baumwolle gepackt zu sein. Sie war nicht fähig, weiter als bis zum nächsten Schritt zu denken.
    Und Andrés, so redete sie sich ohne Unterlass ein, Andrés war immerhin Tiagos Freund. Er würde sich ihrer annehmen. Er würde sie nicht im Stich lassen.
    Die letzte Wegstrecke zu den Espinozas zurückzulegen und die wenigen Stufen zur Haustür hochzugehen fühlte sich an, als würde sie einen Berg beschreiten. Als sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, lehnte sie sich eine Weile erschöpft an die Tür und hustete erbärmlich, ehe sie endlich die Kraft fand, um zu klopfen.
    Ein Hausmädchen machte ihr auf – Aurelia kannte es aus der Zeit, als sie hier gelebt hatte. Sie selbst schien dem Mädchen dagegen völlig fremd zu sein, so verwirrt und auch leicht angewidert, wie es sie anschaute. Kein Wunder – ihr Kleid war dreckig und voller Flicken, die Haare zerzaust, das Gesicht bleich und ausgezehrt.
    »Andrés … ich muss Andrés sprechen …«
    Die Miene des Mädchens blieb angewidert, doch immerhin trat es zurück, um Aurelia einzulassen.
    »Der junge Doktor ist oben im Labor. Aber ich soll niemanden zu ihm lassen.«
    »Mich schon«, brachte Aurelia unter Husten hervor. »Ich bin Aurelia Hoffmann.«
    Das Mädchen riss verwundert die Augen auf. Misstrauen regte sich in ihr, aber sie schritt nicht ein, als Aurelia sich daranmachte, die Treppe zum ersten Stock hochzusteigen. Wieder fühlte es sich an, als müsste sie über steinigen Weg einen Gipfel erklimmen.
    Wenigstens musste sie nicht Ramiro

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