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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sich befand? Warum half er ihr nicht, sondern blieb einfach starr neben ihr hocken?
    Sein Blick war irgendwie … kalt. Und zugleich voll jener Gier, die er mit seinen Worten eben erst beschworen hatte.
    Plötzlich fröstelte sie trotz des Fiebers – und ihre Sinne, eben noch so träge, wurden hellwach. Andrés ist gefährlich, schoss es ihr durch den Kopf.
    Die Bedrohung, die von ihm ausging, war größer als die ihrer Krankheit. Sie schluckte schwer, wollte sich erheben, schaffte es aber nicht. Ohnmächtig musste sie hinnehmen, dass er näher an sie heranrückte.
    »Ich bin anders«, sagte er. »Wenn ich bekommen hätte, was ich gewollt hätte, hätte ich nicht noch mehr verlangt. Ich wäre damit zufrieden gewesen, wirklich zufrieden. Mir hätte es genügt, wenn ich als Pathologe hätte arbeiten können und gewusst hätte, dass zu Hause eine Frau, wie du es bist, auf mich wartet … und eine Schar glücklicher Kinder.«
    Unvermittelt hob er seine Hand. Sie sah, dass diese zitterte, und dachte erst, er wollte ihr über das Gesicht streicheln. Stattdessen senkten sich seine Finger auf ihre Brust und drückten sie. Sie schrie auf – vor Schmerz, Scham und Entsetzen, und der Schrei brannte wie Feuer in ihrer Kehle.
    »Ich bin krank …«, stammelte sie unter Husten, »… siehst du es denn nicht? Ich bin krank! Du musst mir helfen!«
    »Aber ich habe keine Frau wie dich bekommen«, fuhr er ungerührt fort. »Du hast mich gar nicht beachtet, schon damals nicht, bei unserer ersten Begegnung im Hafen von Valparaíso. Du hattest nur Augen für Tiago.« Plötzlich kicherte er auf. »Aber Tiago ist tot!«, rief er. »Er ist im Wüstensand verrottet! Nichts mehr ist von ihm da!«
    Während er sprach, knetete er weiterhin ihre Brust und rückte noch näher. Sie versteifte sich, wollte zurückweichen, doch da hatte er sie mit der freien Hand schon an den Haaren gepackt, rollte sie auf den Rücken und wälzte sich auf sie.
    »Andrés!«, schrie sie auf. Ihr Kopf drohte zu zerplatzen.
    »Du brauchst also Hilfe! Aber wenn du Hilfe willst, liebste Aurelia, dann musst du etwas dafür tun. Im Leben ist nichts umsonst, für alles hat man einen Preis zu bezahlen, auch du. Es gibt zwar wenig, womit du zahlen kannst, aber so krank kannst du gar nicht sein, dass dein Körper nicht noch etwas Wert hätte.«
    Sie hatte das Gefühl, unter seinem schweren Leib zu ersticken. Unerträglich wie der Schmerz war die Furcht, ohnmächtig zu werden. Sie war sich sicher, dass ihn das nicht abhalten würde, sich an ihr zu vergehen. Aufstöhnend nahm sie alle Kraft zusammen, versuchte, ihre Hände gegen seine Brust zu stemmen, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Sie musste weg, weg von hier! Aber sie konnte es nicht!
    Sein Gesicht senkte sich auf ihres. Als er sie küssen wollte, stieg ihr heiß sein Branntweinatem in die Nase. Statt zu husten, musste sie würgen. Verzweifelt drehte sie ihr Gesicht zur Seite und sah auf diese Weise, dass nicht weit von ihr etwas Dunkles am Boden lag. Sie tastete mit den Händen danach, fühlte, dass es eine der leeren Branntweinflaschen war.
    Ihre Hände waren schweißnass. Als sie die Flasche umklammerte, befürchtete sie, sie würde ihr entgleiten. Doch die Verzweiflung gab ihr Kraft – genug Kraft, die Flasche zu erheben und damit auf Andrés’ Kopf einzuschlagen.
    Wäre er nicht betrunken gewesen, hätte sie keine Chance gegen ihn gehabt. So aber gab ihm der Schlag den Rest. Ein Ächzen ertönte, dann sackte er von ihr. Noch lag sein rechtes Bein schwer auf ihrem, aber sie schob es mit Mühe weg. Er atmete noch, rührte sich jedoch nicht.
    Als sie sich erhob, schien sich das Zimmer zu drehen. Immerhin konnte sie Schritt vor Schritt setzen. An der Wand entlang tastete sie sich zur Tür und von dort bis zur Treppe. Schon der Weg hinauf war mühsam gewesen – der nach unten kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Jede Stufe, die sie nahm, wurde von der Angst begleitet, zu stolpern, in die Tiefe zu fallen und sich das Genick zu brechen. Aber irgendwie kam sie doch heil nach unten.
    Vom Hausmädchen war nichts zu sehen, und so musste sie selbst die schwere Tür öffnen. Als sie endlich im Freien stand, waren alle ihre Kräfte verbraucht.
    Valentina … sie musste zu Valentina und Pepe Veliz … die Buchhandlung … sie war ihre einzige Rettung …
    Sie erreichte die Straße, ging dort einige schleppende Schritte und bog dann in den Weg nach rechts ab. Immer wieder verharrte sie, stützte sich an eine Hauswand,

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