Im Schatten des Fürsten
indem er sie verletzte, hätten sie ihre Elementare gegen ihn eingesetzt, und dann hätte er selbst leiden müssen. Allein aus diesem Grund hatte er sie schwer verletzen müssen. Binnen weniger Augenblicke hatte er ihnen alles Elend und allen Schmerz, die sie ihm in den vergangenen zwei Jahren zugefügt hatten, heimgezahlt.
Und es war notwendig gewesen.
Doch darum war es noch lange nicht richtig.
»Tut mir leid«, sagte Tavi leise, wenn auch mit Eis in der Stimme. »Verzeiht, dass ich das tun musste.« Er wollte noch etwas hinzufügen, schüttelte dann jedoch den Kopf, wandte sich ab und rannte los in Richtung von Ritter Nedus’ Haus. Um die Beschuldigungen und den Ärger mit der Civis-Legion, die ihm blühten, konnte er sich später kümmern, wenn seine Tante in Sicherheit war.
Doch ehe er auch nur ein paar Schritte weit gekommen war, wölbten sich die Steine unter seinen Füßen ohne Vorwarnung und warfen ihn gegen eine Mauer. Sein Kopf krachte gegen Stein, und ein grelles Licht schien vor seinen Augen aufzublitzen. Er stürzte und wollte sofort wieder aufstehen, doch packte ihn eine grobe Hand und stieß ihn mit erschreckender Leichtigkeit durch
die Luft. Er landete auf den Steinen, und als die Welt sich endlich zu drehen aufhörte, verschwanden auch langsam die Sterne vor seinen Augen wieder.
Er stellte fest, dass er sich jetzt in einer dunklen Gasse zwischen einem teuren kleinen Weinladen und einem Goldschmied befand. Unerklärlicherweise war Nebel aufgezogen, und der Dunst bedeckte sein Gesicht. Tavi drückte sich blinzelnd auf die Knie hoch. Über ihm stand Kalarus Brencis Minoris, in seinem prächtigen grauen und grünen Wams. Auf dem Kopf trug er einen Eisenreif, der mit grünen Steinen besetzt war, und auch an Fingern und Hals glitzerten Schmuckstücke. Brencis hatte sich das lange Haar nach Art der Kämpfer aus den Städten des Südens straff zu einem Zopf gebunden, und am Gürtel trug er Schwert und Dolch. Seine Augen waren schmal, grausam, und ein wildes, erschreckendes Feuer brannte in ihnen, für das Tavi keinen Namen hatte.
»So«, sagte Brencis, während der Nebel weiter stieg. »Du dachtest, es wäre lustig, dich auf das Fest meines Vaters zu schleichen, um mich lächerlich zu machen? Vielleicht auch, um seinen Wein zu trinken? Und etwas Wertvolles zu stehlen?«
»Ich habe einen Brief vom Ersten Fürsten überbracht«, brachte Tavi heraus.
Genauso gut hätte er auch gar nichts sagen können. »Und jetzt hast du meine Freunde überfallen und verletzt. Obwohl du vermutlich behaupten wirst, der Erste Fürst habe dir das befohlen, du Feigling.«
»Brencis«, stieß Tavi durch die zusammengebissenen Zähne hervor, »die ganze Sache hat nichts mit dir zu tun.«
»Verfluchte Krähen, womit sonst?«, fauchte Brencis. Inzwischen hüllte der Nebel sie wie eine Decke ein, und Tavi konnte kaum mehr als ein paar Schritte weit sehen. »Ich habe deine Frechheiten satt.« Beiläufig zog Brencis das Schwert und nahm den Dolch in die linke Hand. »Es reicht.«
Tavi starrte Brencis in die beunruhigend funkelnden Augen
und stand mühsam wieder auf. »Tu das nicht, Brencis. Benimm dich nicht wie ein Idiot.«
»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden, du Missgeburt!«, fauchte Brencis und stürzte sich mit gezogenem Schwert auf den Jungen aus dem Calderon-Tal.
Tavi zog sein Messer und schaffte es, den Angriff abzuwehren, so dass die Spitze von Brencis’ Schwert an ihm vorbeisauste. Aber er hatte einfach nur Glück gehabt, und er wusste das. Wenn Brencis erst richtig zuschlagen würde, hätte Tavi mit seiner kleinen Klinge keine Chance mehr, also wich er zurück und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, aus der Gasse zu fliehen. Es gab aber keine.
»Dummer Paganus «, höhnte Brencis grinsend. »Ich habe schon immer gewusst, dass du ein dummes feiges Schwein bist.«
»Die Civis-Legionares sind schon unterwegs«, erwiderte Tavi. Seine Stimme zitterte.
»Uns bleibt noch genug Zeit«, meinte Brencis. »Niemand wird im Nebel etwas sehen.« Seine Augen glitzerten vor Vergnügen. »Was für ein Zufall, dass dieser Nebel gerade jetzt aufzieht.«
Wieder griff er an, und der helle Stahl seiner Klinge schoss auf Tavis Kehle zu. Tavi duckte sich, aber Brencis trat gleichzeitig mit dem Fuß zu. Tavi gelang es zwar, den Tritt halb mit der Schulter abzufangen, doch Brencis war durch seine Elementarkräfte mindestens so stark wie Renzo, und Tavi taumelte zur Seite. Nur die Wand der Goldschmiede verhinderte
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