Im Schatten des Fürsten
nicht.«
»Das ist auch kein Ort, über den man in anständiger Gesellschaft spricht«, antwortete Killian müde. »Der Turm ist so angelegt, dass man darin selbst den mächtigsten Elementarwirker des Reiches - den Ersten Fürsten eingeschlossen, falls notwendig - festhalten kann. So stehen auch die Hohen Fürsten nicht über den Gesetzen. Der Fürstenrat selbst hat die Sicherheitsmaßnahmen des Grauen Turms gewirkt.«
»Was für Maßnahmen?«, fragte Tavi.
»Die gleichen, die man auch im Palast findet, bei Edelsteinhändlern oder in der Schatzkammer eines Fürsten - nur sehr viel stärker. Es wären schon mehrere Hohe Fürsten notwendig, um hinein- oder herauszugelangen. Und an den Türen steht zudem noch die Graue Wache.«
»Wer ist das?«
»Einige der besten Metallwirker und Schwertkämpfer des Reiches«, erklärte Miles. »Um ohne Elementarwirken hineinzugelangen und Antillar zu befreien, müssten wir einige verdammt anständige Männer umbringen. Und wenn wir das während Winterend unternehmen, hätten wir die Hälfte des Reiches auf den Fersen. Das würde uns nichts einbringen.«
Tavi spitzte die Lippen. »Bestechung?«
Miles schüttelte den Kopf. »Die Graue Wache ist handverlesen, und zwar vor allem deshalb, weil sie sich nicht bestechen lassen darf. Darüber hinaus gibt es ein Gesetz, demzufolge einem Wächter der doppelte Betrag gezahlt wird, der ihm als Bestechung angeboten wurde, wenn der Betreffende denjenigen festnimmt, der den Versuch unternommen hat. In den vergangenen fünfhundert Jahren hat sich kein einziger Grauer Wächter bestechen lassen, und nur einige wenige Narren haben es versucht.«
»Es muss doch einen Weg hinein geben«, sagte Tavi.
»Ja«, erwiderte Killian. »Entweder kann man diese unglaublich mächtigen elementargewirkten Schutzmaßnahmen überwinden, oder man kann sich durch die Graue Wache fechten. Andere Wege gibt es nicht.« Er machte eine kurze, aber beredte Pause und fügte dann hinzu: »Das ist eigentlich auch der Sinn eines Gefängnisturms.«
Tavi spürte erneut, wie seine Wangen brannten. »Ich wollte nur sagen, es muss doch etwas geben, das wir tun können. Er steckt nur da drin, weil er mir das Leben gerettet hat. Brencis hätte mich sonst ermordet.«
»Das war sehr edel von Maximus.«
»Ja.«
Killians Stimme wurde ernst. »Leider ist Edelmut die Eigenschaft, die Kursoren in der Regel am wenigsten brauchen. Wir handeln vorausschauend und verlassen uns auf unser Urteil und unser Wissen.«
»Willst du damit sagen«, fragte Tavi, »dass Max einfach hätte zuschauen sollen, wie ich umgebracht werde?« Miles runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts und beobachtete Killian.
»Du hättest sofort zu mir kommen sollen. Und ganz bestimmt hättest du die Zitadelle nicht verlassen sollen, ohne meinen Rat einzuholen.«
»Trotzdem können wir ihn jetzt nicht dort lassen. Max hat nicht einmal …«, begann Tavi.
Killian schüttelte den Kopf und schnitt ihm das Wort ab. »Antillar ist aus dem Spiel, Tavi. Wir können nichts für ihn tun.«
Tavi starrte auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und meine Tante Isana? Können wir für sie auch nichts tun?«
Killian runzelte die Stirn. »Gibt es denn einen vernünftigen Grund, weshalb wir unsere begrenzten Kräfte teilen sollten, um sie zu unterstützen?«
»Ja«, sagte Tavi. »Ihr wisst genauso gut wie ich, dass der Erste
Fürst sie einsetzen wollte, um ein Bündnis mehrerer Hoher Fürsten zu verhindern. Deshalb hat er sie zur Wehrhöferin ernannt, ohne Fürst Rivus in dieser Angelegenheit zu Rate zu ziehen. Sie ist zu einem Symbol seiner Macht geworden. Da er sie zum Winterend-Fest eingeladen hat, wird es ein Gesichtsverlust für ihn sein, wenn ihr etwas zustößt.« Tavi schluckte. »Vorausgesetzt, sie lebt überhaupt noch.«
Killian schwieg einen Augenblick lang. Schließlich sagte er: »Für gewöhnlich würde ich dir vollkommen Recht geben. Leider sind wir aber in der bedauerlichen Lage, in der wir das eine oder andere von Gaius’ Vorhaben aufgeben müssen.«
»Sie ist kein Vorhaben«, meinte Tavi plötzlich überraschend selbstbewusst. Miles sah ihn verblüfft an, und sogar Killian legte den Kopf fragend schief. »Sie ist meine Tante«, fuhr Tavi fort, »meine Blutsverwandte. Nach dem Tod meiner Mutter hat sie für mich gesorgt, und ich schulde ihr alles, was ich in diesem Leben erreicht habe. Darüber hinaus gehört sie der Civitas von Alera an und ist auf Einladung und zur Unterstützung der
Weitere Kostenlose Bücher