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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Entweder nutzt du es aus, dass ich liege, oder du lässt mich aufstehen.«
    Tavi spürte die Röte, die ihm in die Wangen stieg, und eilig erhob er sich von Kitai. Das Maratmädchen sah ihn einen Moment lang an, ohne sich zu rühren, und verzog nur spöttisch den Mund. Dann erhob sie sich geschmeidig wie eine Katze auf die Beine. Sie blickte sich kurz um und entdeckte ihr unrechtmäßig erworbenes süßes Brot, das während des Kampfes auf dem Boden zerquetscht worden war.
    »Nun sieh dir an, was du angestellt hast«, beschwerte sie sich. »Du hast mein Abendessen verdorben, Aleraner.« Stirnrunzelnd betrachtete sie ihn von oben bis unten, stemmte die Hände in die Hüften und baute sich vor ihm auf. Tavi blinzelte sie milde an und betrachtete sie von oben herab.
    »Du bist gewachsen«, warf sie ihm vor. »Du bist größer.«
    »Ist ja auch schon zwei Jahre her«, meinte Tavi.
    Kitai schnalzte abfällig mit der Zunge. Unter dem Mantel trug sie eine Männertunika aus teurer dunkler Seide, die mit forcianischen Nachtblumen bestickt war, eine schwere Lederhose, wie sie in der Legion üblich waren, und feine Lederschuhe, die ein kleines Vermögen gekostet haben mussten. Sie hatte sich ebenfalls verändert, in der Höhe gewiss, aber auch noch in anderer Hinsicht,
auf eine Weise, die Tavi äußerst anziehend fand. Er musste sich arg beherrschen, damit er nicht unentwegt auf den Schlitz der Tunika unterhalb des Halses starrte. Als Tavi sie an die Mauer gestoßen hatte, hatte sie sich die Wange aufgeschrammt, außerdem hatte sie an der Stelle und auch am Hals einen dunklen Bluterguss. Der am Hals war schmal und rührte offensichtlich von Tavis Seilschlinge her.
    Falls sie Schmerzen hatte, ließ sie sich das jedenfalls nicht anmerken. Sie sah Tavi aus klugen, trotzigen Augen an. »Doroga hat vorausgesagt, dass du mir das antun würdest.«
    »Was?«, wollte Tavi wissen.
    »Wachsen«, antwortete sie. Erneut betrachtete sie ihn von oben bis unten, und ihr schien es gar nichts auszumachen, dass sie ihn anstarrte. »Und stärker werden.«
    »Hm«, erwiderte Tavi. »Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen?«
    Sie verzog die Miene, blickte sich um, bis sie ihr Messer entdeckte und hob es auf. Die Klinge war mit Gold und Silber verziert, den Griff schmückten Bernstein und Amethyste, und vermutlich würde man dafür einen Preis erzielen, der dem entsprach, was Gaius Tavi in einem Jahr an Unterhalt zahlte. Weitere Edelsteine funkelten an ihrem Hals, an den Handgelenken und in einem Ohr, und bedrückt dachte Tavi, dass sie genug zusammengestohlen hatte, um eine Hinrichtung zu rechtfertigen, wenn man sie erwischte.
    »Kitai«, fragte er, »was in aller Welt machst du hier?«
    »Ich verhungere«, fauchte sie. Sie stieß mit der Schuhspitze das schmutzige Brot an. »Was ich dir zu verdanken habe, Aleraner.«
    Tavi schüttelte den Kopf. »Und was hast du davor gemacht?«
    »Ich bin nicht verhungert«, sagte sie und schniefte.
    »Bei den Krähen, Kitai. Warum bist du hergekommen?«
    Sie presste kurz die Lippen aufeinander, ehe sie antwortete: »Um zu beobachten.«
    »Äh? Wie bitte?«

    »Ich beobachte«, fauchte sie. »Begreifst du denn gar nichts?«
    »Das Gefühl habe ich auch langsam«, sagte Tavi. »Was beobachtest du denn?«
    Kitai verdrehte ärgerlich die Augen. »Dummkopf.« Sie runzelte die Stirn. »Was hast du eigentlich auf diesem Dach gemacht? Und warum hast du mich angegriffen?«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du es bist«, gab Tavi zurück. »Ich wollte den Dieb fangen, den sie die Schwarze Katze nennen. Und offensichtlich ist mir das auch gelungen.«
    Kitai kniff die Augen zusammen. »Der Eine segnet manchmal auch Idioten mit Glück, Aleraner.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast mich gefunden. Was willst du?«
    Tavi biss sich auf die Unterlippe und dachte nach. Für Kitai war es in Alera gefährlich, und das galt natürlich in besonderem Maße für die Hauptstadt. Das Reich hatte mit den übrigen Bewohnern der Welt schon immer auf Kriegsfuß gestanden. Als die Marat die Legion des Princeps Gaius Septimus in der Ersten Schlacht von Calderon vernichtet hatten, waren viele Witwen und Waisen zurückgeblieben. Und da die Kronlegion stets in Alera Imperia rekrutiert wurde, hegten zehntausende hier in der Hauptstadt tiefen Groll gegen die Marat.
    Kitai würde man sofort als einen der Barbaren aus dem Osten erkennen, wegen ihres athletischen Körperbaus, ihrer weißen Haut und des hellen Haars und wegen der

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