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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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riesigen Schwert. Varg stellte das Fläschchen neben einer unregelmäßigen Öffnung in der Höhlenwand auf den Boden und knurrte: »Von hier ab dürfen wir kein Licht mehr benutzen. Wir kriechen. Haltet euch auf der linken Seite. Blickt immer nach unten und nach rechts.«
    Damit ließ er sich auf alle viere nieder und schob seinen mächtigen Körper durch die Öffnung.
    Tavi und Kitai sahen sich an. »Was ist das für ein Wesen?«, wollte sie wissen.
    »Ein Cane«, erklärte Tavi. »Sie leben jenseits des Meeres, westlich von Alera.«
    »Freund oder Feind?«
    »Ich würde sie eher als Feinde bezeichnen.«
    Kitai schüttelte den Kopf. »Und dieser Feind lebt mitten in der Feste deines Häuptlings? Wie kann man nur so dumm sein!«
    »Sein Volk mag uns feindlich gesinnt sein«, murmelte er. »Was Varg angeht, bin ich mir da inzwischen allerdings nicht mehr so sicher. Warte hier. Ich habe ein besseres Gefühl bei der Sache, wenn mir jemand den Rücken deckt, während ich mit ihm da drin bin.«
    »Solltest du überhaupt reingehen?« Kitai runzelte die Stirn.
    Varg knurrte etwas durch die Öffnung.
    »Hm. Ja. Ich denke doch. Vielleicht«, antwortete Tavi. Er kniete sich vor das Loch, das in einen sehr niedrigen Gang führte, und setzte sich in Bewegung, ehe er zu lange darüber nachdenken konnte, was er hier eigentlich tat. Die Decke war so niedrig, dass er beim Krabbeln an die Vorsprünge hätte stoßen können, wenn er es darauf angelegt hätte.

    Bereits nach wenigen Fuß herrschte undurchdringliche Finsternis vor ihm, und Tavi musste sich überwinden weiterzukriechen. Die linke Schulter drückte er an die entsprechende Wand. Varg knurrte nahezu unhörbar vor ihm, und Tavi beeilte sich, bis ihm der Geruch von Tier und Eisen in die Nase stieg. So ging es eine Zeit lang voran. Tavi zählte seine ›Schritte‹ jedes Mal, wenn er die rechte Hand neu aufsetzte. Mit der Zeit wurde das Geräusch rauschenden Wassers lauter. Nach vierundsiebzig Schritten konnte Tavi einen vagen Schemen vor sich erkennen - Vargs Gestalt. Zehn Schritte hinter dem Cane sah er ein bleiches, grünweißes Licht.
    Dann endete die Wand zu seiner Rechten, und der niedrige Tunnel führte auf einen gefährlich schmalen Sims im hinteren Teil einer Höhle aus gewachsenem Stein. Der Cane nahm seine Jagdhaltung ein, blickte Tavi an und deutete mit der Schnauze auf die Höhle unter ihnen. Tavi kroch zu Varg und verhielt sich instinktiv sehr leise.
    Die Höhle war riesig. Wasser tropfte beständig von hunderten Stalaktiten herab, von denen manche länger waren, als die Außenmauern der Zitadelle an Höhe maßen. Am Boden standen ihre Gegenstücke, unregelmäßige Kegel, die teilweise sogar noch höher aufragten, als die oberen Tropfsteine herabhingen. An einer Seite stürzte ein Wasserlauf aus dem Fels und fiel mehrere Fuß tief in ein schäumendes Becken, ehe er durch einen kurzen Kanal und durch die hintere Wand weiterfloss, vermutlich zum Fluss Gallus. Tavi stand angesichts der grünweiß erhellten Szene vor Entsetzen der Mund offen.
    Denn alle Oberflächen in der Höhle war mit Kroatsch bedeckt.
    Es musste Kroatsch sein. Es sah genauso aus wie die Masse im Wachswald vor zwei Jahren. Zwar wirkte es nicht so fest wie das Wachs, das diesen fremdartigen Talkessel bedeckt hatte, aber es gab das gleiche pulsierende, weißgrüne Licht ab. Tavi entdeckte ein halbes Dutzend Wachsspinnen, die träge über das Kroatsch
krabbelten und hier und da stehen blieben. Ihre Augen leuchteten in Grün, sanftem Orange und hellem Blau.
    Tavi beobachtete die Wachsspinnen wie erstarrt und war vor Schreck nicht in der Lage, sich zu rühren. Dann fiel sein Blick auf eine Stelle, wo aus dem Kroatsch eine Art riesiger, klobiger Blase gewachsen war, die mehrere der größten Stalagmiten einschloss. Auch die Oberfläche der Blase pulsierte in wirbelndem, grünem Licht und war so durchscheinend, dass man dahinter Schemen erkennen konnte, die sich bewegten.
    Um die Blase standen Canim. Sie hatten ihre typische Habachthaltung auf allen vieren eingenommen und umringten die grüne Halbkugel, wobei sie kaum mehr als vier oder fünf Fuß Abstand voneinander hatten. Alle waren bewaffnet und trugen Rüstung, und die Köpfe steckten überwiegend in den tiefen Kapuzen der dunkelroten Mäntel. Keiner von ihnen bewegte sich, keiner zuckte auch nur mit der Wimper. Von hier oben konnte Tavi nicht einmal sehen, ob sie atmeten, daher erschienen sie ihm wie bunte Statuen, weniger als lebendige Wesen.

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