Im Schatten des Fürsten
Hüften an den Schreibtisch, wodurch sie gezwungen war, sich weit zurückzulehnen. »Es ist überhaupt nicht praktisch«, sagte er leise, und sie spürte einen leichten Schauer angesichts seiner Nähe. Er hob die Hand und berührte ihre Wange. Dann glitten seine Finger über Hals und Schultern zu ihrer Hüfte hinunter. Dort kamen sie zum Halt, und das Verlangen raubte ihr den Atem. Er ließ die Hand an ihrer Seite liegen und fuhr fort: »Wenn es praktisch wäre, könnte ich es dir mit einem Ruck vom Leibe reißen.« Er beugte sich vor, strich mit den Lippen über ihre Wange und tauchte Mund und Nase in ihr Haar. »Hm. Dann könnte ich sofort mit dir schlafen. Das wäre praktisch.«
Amara versuchte ihn hinzuhalten, aber sie hatte ihn seit Wochen nicht gesehen, und fast gegen ihren Willen schmiegte sie sich lustvoll an ihn und schlang ein Bein um seine Wade. Nun küsste er sie, und die Leidenschaft und sein angenehmer Geschmack verscheuchten alle klaren Gedanken.
»Du schummelst«, flüsterte sie, keuchte und schob die Hand unter seine Tunika, wo sie die kräftigen Rückenmuskeln fühlte.
»Ich kann nicht anders«, knurrte er. Er öffnete ihre Jacke, und sie drückte den Rücken durch. Die Luft fühlte sich kühl an auf ihrem Leinenunterhemd. »Ich will dich. Es ist schon so lange her.«
»Zu lange«, hauchte sie und stöhnte leise. »Hör nicht auf.«
Draußen stiefelte jemand die Treppe zum Arbeitszimmer hinauf.
Schritte, die sich näherten.
Laute, deutliche, langsame Schritte.
Bernard knurrte gereizt, hielt die Augen jedoch geschlossen.
»Ähem«, hüstelte Giraldi vor der Tür. »Hatschi. So was. Sieht aus, als hätte ich mich erkältet. Ja, Herr. Erkältet. Ich muss wohl mal zum Heiler gehen.«
Bernard richtete sich auf, und Amara zwang sich, ihn loszulassen. Sie erhob sich, doch ihr schwindelte ein wenig. Also setzte sie sich auf die Kante von Bernards Schreibtisch. Mit hochrotem
Gesicht bemühte sie sich, rasch wieder alle Schnallen der Jacke zu schließen.
Währenddessen stopfte Bernard seine Tunika mehr schlecht als recht wieder in den Gürtel, doch in seinen Augen glühte stiller Zorn. Er ging zur Tür, und wieder einmal war Amara fasziniert von der Größe dieses Mannes. Bernard zog den Riegel zurück, öffnete und trat dem Zenturio entgegen.
»Verzeihung, Bernard«, sagte Giraldi. »Aber …« Er senkte die Stimme, flüsterte nur noch, und Amara konnte ihn nicht verstehen.
»Verfressene Krähen«, entfuhr es Bernard.
Amara riss den Kopf hoch.
»Wann?«, wollte der Graf wissen.
»In weniger als einer Stunde. Allgemeiner Ruf zu den Waffen?«, fragte Giraldi.
Bernard schob das Kinn vor. »Nein. Bring deine Zenturie auf die Mauer, und zwar in Paradeuniform.«
Giraldi runzelte die Stirn und legte den Kopf schief.
»Wir stellen uns nicht auf Kampf ein. Es handelt sich um eine Ehrengarde. Verstanden?«
»Sehr wohl, Exzellenz«, antwortete Giraldi durch die oftmals gebrochene Nase. »Unsere beste Zenturie soll auf der Mauer stehen, in voller Kampfrüstung, damit wir ein paar Marat niederhauen können, falls sie Ärger machen wollen. Wenn aber nicht, sollen sie von unserem hübschesten und freundlichsten Zenturio begrüßt werden, damit sie sich willkommen fühlen.«
»Kluger Mann.«
Giraldis Lächeln verschwand, und mit gesenkter Stimme fragte er unverblümt: »Meinst du, da braut sich Ärger zusammen?«
Bernard klopfte dem alten Soldaten auf die Schulter. »Nein. Aber mir wäre es sehr recht, wenn du persönlich zu Hauptmann Gregor und den anderen Zenturionen gehst und ihnen mitteilst, dass es vielleicht gar nicht so dumm wäre, Waffen und Rüstungen in den Unterkünften zu inspizieren, nur für den Fall, dass ich mich irre.«
»Ja, Exzellenz«, sagte Giraldi. Er nahm zackig Haltung an, wie es in der Legion üblich war, indem er die Faust auf das Herz schlug. Dann nickte er Amara zu und marschierte hinaus.
Bernard wandte sich einem großen Schrank zu und öffnete ihn. Er holte ein altes, oft getragenes Kettenhemd heraus und zog es mit geübten Bewegungen über.
»Was ist los?«, fragte Amara.
Er reichte ihr ein kurzes Schwert in einer Scheide, die an einem Gurt befestigt war. »Es könnte Schwierigkeiten geben.«
Der Gladius war die Stichwaffe des Legionare und im Reich sehr verbreitet. Amara war mit diesem Schwert vertraut und schnallte sich den Gurt um, ohne hinzusehen. »Was meinst du damit?«
»Draußen auf der Ebene wurde eine Gruppe Maratkrieger gesichtet«, erklärte Bernard.
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