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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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leise durch das Zimmer, öffnete den Schrank, betrachtete sodann die Ziegelsteine des Kamins und nahm einige Bücher von dem kleinen Regal, um sich die Seiten anzuschauen.
    »Dein Volk«, sagte er, »ist so anders als meins.«
    »In vielerlei Hinsicht«, stimmte Bernard zu. »Und doch wieder auch sehr ähnlich.«
    »Ja.« Doroga blätterte Die Chroniken von Gaius durch und verharrte bei einer Holzschnittillustration, um sie genauer zu betrachten. »Mein Volk weiß vieles nicht, das ihr wisst, Bernard. Wir haben solche … solche … wie heißen sie noch?«
    »Bücher?«
    »Solche Bücher nicht«, beendete Doroga seinen Satz. »Oder diese Bildersprache, wie ihr sie benutzt. Aber wir sind ein altes Volk und verfügen ebenfalls über Wissen.« Er deutete auf seine Wunde. »Das gemahlene Pulver aus Schattenkraut und Sandgras hilft gegen den Schmerz, lässt das Blut gerinnen und schließt die Wunde. Ihr hättet eine Nähnadel oder eure Zauberei gebraucht.«
    »Ich zweifle nicht an den Erfahrungen und dem Wissen deines Volkes, Doroga«, sagte Bernard. »Ihr seid anders. Deshalb seid ihr nicht geringer als wir.«

    Doroga lächelte. »Nicht alle Aleraner denken wie du.«
    »Wohl wahr.«
    »Wir verfügen über unsere eigene Weisheit«, sagte Doroga. »Die seit der ersten Dämmerung von einem zum nächsten überliefert wurde. Wir singen das Wissen unseren Kindern vor, und sie singen dann eines Tages für ihre Kleinen, damit wir uns stets daran erinnern, was in Vorzeiten geschehen ist.« Er ging zum Kamin und stocherte mit dem Schürhaken in der Glut. Gelbrotes Licht spielte über die Muskeln und verlieh seinem Gesicht einen wilden Zug. »Ich war ein großer Narr. Unser uraltes Wissen hat mich gewarnt, doch ich war zu dumm, um die Gefahr zu erkennen.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Amara.
    Er holte tief Luft. »Den Wachswald. Du hast davon gehört, Bernard?«
    »Ja«, antwortete der Graf. »Ich war ein oder zwei Mal da. Allerdings niemals unten.«
    »Weise«, sagte Doroga. »Unten in dem Tal lauerte der Tod.«
    »Lauerte?«
    Der Marat nickte. »Jetzt nicht mehr. Die Wesen, die dort lebten, haben es verlassen.«
    Bernard blinzelte. »Verlassen? Wohin sind sie gegangen?«
    Doroga schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher. Ich war nicht sicher. Bis jetzt. Aber unsere Geschichten berichten von ihnen und warnen vor dem, was sie tun werden. Was sie immer tun.«
    »Du meinst, dein Volk hat so etwas schon einmal erlebt?«
    Nun nickte Doroga. »In ferner Vergangenheit, als unser Volk noch an einem anderen Ort lebte. Wir sind erst später hierhergekommen.«
    »Über das Meer?«, wollte Amara wissen.
    Doroga zuckte mit den Schultern. »Über das Meer. Durch den Himmel. Wir waren an einem anderen Ort, dann waren wir hier. Unser Volk hat in vielen Ländern gewohnt. Wir suchen uns einen neuen Platz. Wir verbünden uns mit dem, was dort lebt. Wir
lernen. Wir gedeihen. Wir singen die Lieder der Weisheit für unsere Kinder.«
    Amara runzelte die Stirn. »Du willst sagen … Gibt es deshalb verschiedene Stämme bei deinem Volk?«
    Er sah sie von oben herab an wie ein Lehrer an der Akademie einen schwerfälligen Schüler und nickte. »Durch Chala . Durch Totem. Unsere Weisheit berichtet uns, dass wir vor langer Zeit an einem anderen Ort ein Wesen getroffen haben. Dieses Wesen stahl die Herzen und den Verstand unserer Menschen. Und seine Brut wuchs zu Millionen heran. Es überwältigte uns. Vernichtete unser Land und unsere Heime. Es stahl unsere Kinder, und unsere Weibchen gebaren seinen Nachwuchs.«
    Bernard setzte sich stirnrunzelnd auf einen Stuhl am Feuer.
    »Dieser Dämon kann vielerlei Gestalt annehmen«, fuhr der Marat fort. »Dieses Wesen schmeckt Blut und nimmt die Gestalt des Wesens an, das es geschmeckt hat. Es gebiert seine eigene Brut. Es verwandelt seine Feinde in … Dinge. Dinge seiner eigenen Schöpfung, die für dieses Geschöpf kämpfen. Und immer nimmt es. Tötet. Pflanzt sich fort. Bis nichts mehr übrig ist, das zum Kampf gegen dieses Wesen antreten kann.«
    Bernard kniff die Augen zusammen und starrte Doroga an. Amara trat hinter seinen Stuhl und legte ihm die Hand auf die Schultern.
    »Das ist keine Geschichte, die man sich am Lagerfeuer erzählt, Aleraner«, sagte Doroga leise. »Es ist kein Irrtum. Dieses Wesen gibt es wirklich.« Der große Marat schluckte, sein Gesicht war aschfahl. »Es kann viele Gestalten und Formen annehmen, und unsere Weisheit mahnt uns, nicht nur nach seinem Äußeren zu gehen. Das war

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