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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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ersten Impuls folgend wollte er losrennen und um Hilfe rufen, dann jedoch beherrschte er sich, wie es ihm Meister Killian beigebracht hatte, zwang sich zur Ruhe und verdrängte alle Gefühle, um das Problem mit kalter Logik anzugehen.
    Er konnte nicht einfach nach den Wachen rufen. Natürlich würden die sofort herbeieilen, und die Heiler würden sich um den Ersten Fürsten kümmern, doch damit drang die Nachricht von dem Vorfall unweigerlich an die Öffentlichkeit. Wenn aber bekannt wurde, dass es mit Gaius’ Gesundheit nicht zum Besten stand, konnte sich daraus auf vielerlei Weise eine Katastrophe entwickeln.
    Tavi war zwar nicht in die geheimen Gedanken des Ersten Fürsten eingeweiht, aber er war weder taub noch dumm. Aus dem, was er während seines Dienstes zufällig mit angehört hatte, konnte er sich ein recht gutes Bild über die Vorgänge im Reiche machen. Gaius befand sich in einer prekären Lage, verursacht durch einige der ehrgeizigeren Hohen Fürsten. Er war ein alter Mann ohne Erben, und wenn man anfangen würde, ihn als sterbenden alten Mann ohne Erben zu betrachten, konnte das große Umwälzungen zur Folge haben, angefangen von Maßnahmen des Senates und des Fürstenrates bis hin zu einer ausgewachsenen militärischen Auseinandersetzung. Genau aus diesem Grunde hatte Gaius die Kronlegion neu aufgebaut, um eben die Sicherheit seiner
Herrschaft zu gewährleisten und einen Bürgerkrieg zu vermeiden.
    Das bedeutete allerdings auch, dass jeder, der Gaius die Macht entreißen wollte, mit großer Wahrscheinlichkeit zum Kampf gezwungen wäre. Der Gedanke, die Legionen und Fürsten von Alera könnten gegeneinander in den Krieg ziehen, war für Tavi vor der Zweiten Schlacht von Calderon unvorstellbar gewesen. Inzwischen hatte er jedoch gesehen, was geschah, wenn die Cives von Alera ihre Elementare und Soldaten aufeinanderhetzten, und diese Bilder bereiteten ihm immer noch Albträume.
    Tavi schauderte. Bei den Krähen. Nur das nicht. Nicht noch einmal.
    Er untersuchte den alten Mann. Das Herz schlug, wenn auch nicht sehr kräftig. Der Atem ging flach, doch regelmäßig. Tavi konnte nichts für Gaius tun, er musste also jemanden zu Hilfe rufen. Wem durfte er in dieser Sache vertrauen? Wem hätte der Erste Fürst vertraut?
    »Ritter Miles, du Narr«, hörte er sich sagen. »Miles ist der Hauptmann der Kronlegion. Der Erste Fürst vertraut ihm, sonst hätte er ihm nicht den Befehl über fünftausend Mann unter Waffen gegeben, die innerhalb seiner eigenen Mauern stehen.«
    Tavi blieb keine andere Wahl, er musste Gaius allein lassen und den grauhaarigen Hauptmann holen. Er rollte seinen Mantel zusammen und stopfte ihn dem Ersten Fürsten unter den Kopf, dann holte er ein Kissen, welches das vorhergegangene Wüten überstanden hatte, und legte es Gaius unter die Füße. Anschließend rannte er die Treppe hinauf zum zweiten Wachraum.
    Als er sich dem Raum näherte, hörte er laute Stimmen. Mit klopfendem Herzen blieb Tavi stehen. Hatte schon jemand erfahren, was geschehen war? Er schlich vorsichtig weiter, bis er die Rücken der Soldaten im zweiten Wachraum sehen konnte. Die Legionares standen und hatten die Hände auf die Waffen gelegt. Während Tavi sie beobachtete, hörte er Stiefeltritte, die im Gleichschritt auf den Boden stampften, und die Männer, die während
ihrer Bereitschaft im Nebenraum geschlafen hatten, eilten herein und legten ihre Rüstungen an.
    »Tut mir schrecklich leid, Herr«, sagte Bartos, der befehlshabende Legionare . »Aber Seine Majestät darf nicht gestört werden, während er sich in seinen Privatgemächern aufhält.«
    Das Wesen, das nun sprach, war auf gar keinen Fall ein Mensch. Dazu klang seine Stimme zu tief. Die Worte wurden eigenartig gedehnt, als würde sie der schnauzenartige Mund, der sie artikulierte, zerreißen und zerbeißen.
    Einer der Canim war die Treppe heruntergekommen und ragte über den Legionares im Wachraum auf.
    In seinen zwei Jahren in der Zitadelle hatte Tavi die tödlichsten Feinde des Reiches nur einmal zu Gesicht bekommen, und da auch nicht aus der Nähe. Natürlich kannte er die Geschichten über sie, die ihn jedoch nicht im Mindesten auf die Wirkung hatten vorbereiten können, die dieses Geschöpf jetzt auf ihn ausübte, als es leibhaftig vor ihm stand.
    Der Cane hatte sich ganz aufgerichtet, was die zehn Fuß hohe Decke gerade so erlaubte. Er war mit sehr dunklem Fell bedeckt, beinahe schwarz wie die Nacht, stand auf zwei Füßen und musste ungefähr so schwer

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