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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Seite spendete eine einzelne Kerze gerade genug Licht, damit Tavi zwei Canim erkennen konnte, die dort vor dem Tor hockten. Die runden Umhänge bedeckten die scharfen Kanten der Rüstungen an Schultern und Ellbogen und das glänzende Metall an Schwertgriffen und Speerspitzen nur zur Hälfte. Ihre Köpfe waren fast vollständig unter den Kapuzen verborgen, doch die wolfsartigen Schnauzen mit den Zähnen ragten hervor, und ihre nicht-menschlichen Augen glommen rot. Zwar saßen sie auf dem Boden, dennoch wirkte ihre Haltung ebenso wachsam, bereit und angespannt wie die der aleranischen Posten gegenüber.
    Tavi trat ans Tor. Der Geruch der Canim-Gesandtschaft schlug ihm entgegen - er war durchdringend, mit einer schwachen Moschusnote. Irgendwie erinnerte er ihn sowohl an die Schmiede auf seinem alten Wehrhof als auch an die Höhle eines Schreckenswolfes.
    »Wache«, sagte Tavi. »Ich soll einen Brief für Seine Exzellenz abliefern, den Botschafter Varg.«
    Einer der Aleraner blickte über die Schulter und winkte ihn vorbei. Tavi näherte sich weiter dem Tor. Auf der anderen Seite stand der Lederkorb an seinem gewohnten Platz auf dem rauen Boden, eine Armlänge von den Gitterstangen entfernt, und Tavi langte hindurch, um den Brief in den Korb fallen zu lassen. In Gedanken betrachtete er seine Aufgabe bereits als erledigt und freute sich darauf, endlich schlafen zu können.
    Die Bewegung des Cane, der ihm am nächsten stand, bemerkte er kaum.
    Die nicht-menschliche Wache schob sich plötzlich geschmeidig vor und packte mit dem langen Arm Tavis Handgelenk. Tavis
Herz begann zu rasen, obwohl er vor Erschöpfung und Überraschung gar nicht recht in der Lage war, Panik zu empfinden. Leicht hätte er seinen Arm aus dem Griff des Cane drehen können, allerdings hätte er sich dabei vermutlich die Haut an den Krallen aufgerissen. Mit bloßer Kraft war da nichts zu machen.
    All das ging ihm in der Spanne eines Herzschlags durch den Kopf. Hinter ihm stockte den beiden aleranischen Wachen der Atem, und Stahl strich zischend über Leder, als sie die Schwerter zogen.
    Tavi bewegte seinen Arm nicht und hielt mit der freien Hand die Aleraner zurück. »Wartet«, sagte er ruhig. Dann blickte er hoch - ziemlich weit hoch - und starrte den Cane an. »Was willst du, Wache?«, verlangte er herrisch und ungeduldig zu wissen.
    Der Cane betrachtete ihn mit unergründlichem, wildem Blick und ließ langsam locker, wobei seine Krallen über Tavis Haut kratzten. »Seine Exzellenz«, knurrte der Cane, »bittet darum, dass der Bote den Brief persönlich bei ihm abgibt.«
    »Lass den Jungen los, Hund«, brüllte eine der aleranischen Wachen.
    Der Cane sah den Mann an und fletschte nur die gelben Reißzähne.
    »Ist schon gut, Legionare «, sagte Tavi gelassen. »Die Bitte ist durchaus verständlich. Der Botschafter hat das Recht, sich das Sendschreiben des Ersten Fürsten persönlich aushändigen zu lassen, wenn er möchte.«
    Die beiden Canim knurrten grollend. Derjenige, der Tavis Arm gepackt hatte, machte nun das Tor auf. Tavi beobachtete beeindruckt, mit welcher Leichtigkeit der riesige Cane das schwere Stahltor öffnete. Dann schluckte er, nahm die Kerze, holte sich den Umschlag aus dem Korb und betrat die Schwarze Halle.
    Der Cane ging hinter Tavi her. Tavi verlangsamte den Schritt, bis er den Cane aus dem Augenwinkel sehen konnte. Die Wache marschierte geschmeidig und locker dahin und betrachtete Tavi mit unverhohlener Neugier, bis sie das Ende der Schwarzen Halle
erreichten. Auf dem Weg dorthin passierten sie mehrere unregelmäßige, türartige Öffnungen, doch dahinter war es zu dunkel, als dass Tavi etwas hätte erkennen können.
    Am Ende des Ganges befand sich die einzige Tür, die Tavi gesehen hatte. Sie bestand aus dickem, schwerem Holz. Im Licht der Kerze schimmerte sie tiefrot und purpurn.
    Die Wache überholte Tavi mit den langen, pirschenden Schritten eines erwachsenen Cane und zog langsam die Krallen über das dunkle Holz, das außergewöhnlich hart sein musste. Trotz der scharfen Krallen ließ sich auf der Oberfläche keine Spur eines Kratzers erkennen.
    Von drinnen wurde mit einem Knurren geantwortet, bei dem es Tavi kalt den Rücken hinunterlief. Die Wache gab einen ähnlichen Laut von sich, wenn auch ein wenig höher. Darauf folgte eine kurze Stille, dann ein fauchendes Lachen, und Varg ließ sich grollend vernehmen: »Schick ihn rein.«
    Die Wache öffnete die Tür und stolzierte davon, ohne Tavi noch eines Blicks zu würdigen.

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