Im Schatten des Fürsten
flüsterte sie. »Und ihre Elementare sollten dafür sorgen, dass es so bleibt. Wieso haben sie das getan?«
»Damit niemand zu ihnen vordringen kann außer denjenigen, die sie dort in der Kammer untergebracht haben«, knurrte Bernard.
»Aber warum?«
Bernard zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte das Hofvolk verhindern, dass sich irgendwer die Kinder holt, während sie weg waren.«
»Auf die Gefahr hin, dass sie ersticken?«
»Manche Dinge sind schlimmer als der Tod«, sagte Doroga von hinten. Seine dröhnende Bassstimme ließ Amara zusammenfahren.
Der riesige Häuptling der Marat war leiser als ein Graslöwe aus Amarant an sie herangetreten. »Und manche Dinge sind sogar sehr viel schlimmer.«
Einer der Säuglinge begann stockend zu schreien, und kurze Zeit später gesellte sich das müde Schluchzen eines weiteren Kindes dazu. Alle anderen rührten sich nun ebenfalls.
Giraldis Wasserwirker, ein Veteran namens Harger, stand von dem Kind neben Heddy auf und beugte sich dann über die junge Frau. Er legte ihr die Fingerspitzen leicht auf die Schläfen und schloss für einen Moment die Augen. Dann blickte er Bernard an und sagte: »Sie hat sich körperlich entsetzlich verkrampft, und ich glaube, seelisch geht es nicht sehr viel besser. Vielleicht sollten wir sie ein bisschen schlafen lassen.«
Bernard runzelte die Stirn, sah Amara an und zog eine Augenbraue hoch.
Sie schnitt eine Grimasse. »Wir müssen mit ihr reden, um herauszufinden, was hier geschehen ist.«
»Möglicherweise kann uns eines der Kinder das erzählen«, meinte Bernard.
»Glaubst du, die haben verstanden, was eigentlich passiert ist?«
Bernard blickte zu ihnen hinüber, dann vertieften sich die Falten auf seiner Stirn, und er schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht. Jedenfalls würde ich aufgrund ihrer Berichte nicht das Leben weiterer Menschen aufs Spiel setzen.«
Amara nickte zustimmend.
»Weck sie auf, Harger«, sagte Bernard leise. »So behutsam wie möglich.«
Der alte Wasserwirker nickte, obwohl man ihm die Sorge von den Augen ablesen konnte, und wandte sich wieder Heddy zu, legte ihr die Finger auf die Schläfen und runzelte konzentriert die Stirn.
Heddy erwachte mit einem heftigen Zucken und schrie entsetzt und gequält. Sie riss die hellblauen Augen weit auf und blickte um sich wie ein in Panik geratenes Tier, das glaubt, der hungrige Jäger
habe es nun doch erwischt. Dann schlug sie wild um sich, und eine plötzliche, heftige Windbö fuhr ziellos durch den Hof. Der Wind preschte hin und her und wirbelte Staub, Stroh und kleine Steine auf. »Nein«, kreischte Heddy. »Nein, nein, nein!«
Immer und immer wieder brüllte sie dieses eine Wort, bis sie beinahe heiser war.
»Heddy«, rief Bernard, blinzelnd, weil noch immer Staub durch die Luft wirbelte. »Heddy, es ist gut! Du bist in Sicherheit!«
Sie schrie weiter, wehrte sich, trat um sich und biss einem Legionare in die Hand, als der gemeinsam mit Harger und Bernard neben ihr kniete und versuchte, sie festzuhalten. Sie wehrte sich mit einer Kraft, die aus Todesangst, aus Wahnsinn geboren wurde.
»Die Krähen sollen mich holen!«, fluchte Harger. »Wir müssen sie ruhigstellen.«
»Warte«, rief Amara. Sie hockte sich neben die kämpfende Wehrhöferin. »Heddy«, sagte sie, so sanft, dass sie in dem Tumult gerade noch verstanden werden konnte. »Heddy, es ist alles gut. Heddy, den Kindern ist nichts geschehen. Der Graf ist mit Soldaten aus Kaserna eingetroffen. Sie sind in Sicherheit. Die Kinder sind in Sicherheit.«
Heddy starrte Amara panisch an, und zum ersten Mal, seit sie ihr Bewusstsein wiedererlangt hatte, wurde ihr Blick klarer. Ihr Geschrei ließ ein wenig nach, doch ihre Miene drückte weiterhin entsetzliche innere Qualen und Verzweiflung aus. Es tat Amara weh, solches Leid zu sehen. Aber sie redete sanft weiter und wiederholte ihre leisen Trostworte. Als sich Heddy noch ein wenig mehr beruhigt hatte, legte Amara der jungen Frau die Hand auf den Kopf und strich ihr das feine Haar aus der Stirn.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis aus Heddys Schreien zuerst Weinen, dann Stöhnen und schließlich Wimmern geworden war. Dabei starrte sie unentwegt Amara an, als biete ihr das Gesicht der Kursorin einen Halt in der Welt. Mit einem letzten Schaudern verstummte Heddy endlich und schloss die Augen, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.
Amara sah zu Bernard und Harger hoch. »Ich glaube, sie kommt wieder in Ordnung. Vielleicht könntet ihr
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