Im Schatten des Galgens Kommiss
Mord zu tun hatte. Für uns dagegen war es reine Ansichtssache. Wir hatten auch gar nicht damit gerechnet, daß der Seebär uns weitere Verdachtsmomente gegen seinen Steuermann liefern würde. Uns genügte vorerst, den Namen des abgeheuerten Steuermanns zu erfahren. Well, und den erfuhren wir auch. Jean Embroke nennt sich der Mann, den wir bis zur Stunde noch suchen. Leider fehlt noch jede Spur von diesem durch weitere Verdachtsmomente immer stärker verdächtigten Steuermann."
„Welche weiteren Indizien hast du gegen diesen Mann gefunden?" stellte an dieser Stelle Kommissar Morry seine erste Zwischenfrage.
„Zounds, du sollst es gleich erfahren — und wirst mir dann recht geben, daß irgend etwas mit diesem Burschen nicht zu stimmen scheint. Also wir kannten nun den Namen des Verdächtigen — und hatten von dem Kapitän weiterhin erfahren, daß dieser Jean Embroke britischer Staatsbürger sein sollte. So hatte es jedenfalls in seinen Papieren gestanden. Weiter soll sein Geburtsort London gewesen sein."
Noch bevor Inspektor Ernest Keeton seinen nun folgenden Satz ausgesprochen hatte, ahnte Kommissar Morry, was kommen würde. Dieser Embroke segelt unter falscher Flagge! dachte er sich und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Und da sprach der Inspektor seinen Gedanken auch bereits aus: „Was war für uns leichter, als zu erfahren, ob die Wiege dieses Mannes wirklich hier in unserer Stadt gestanden hatte. Sie hat es nicht, jedenfalls nicht unter diesem Namen, das bestätigte uns eine Nachfrage beim hiesigen Einwohnermeldeamt. Doch wir begnügten uns nicht mit diesem einzigen Beweis. Wir taten um auch ganz sicher zu gehen, ein Weiteres. Wir blätterten sowohl das Taufregister von der Jahrhundertwende bis heute, wie auch alle Unterlagen bei der Paßstelle durch. Doch einen Jean Embroke gibt es nicht — nicht hier in unserer Stadt."
Inspektor Ernest Keeton hatte zum Schluß fast flüsternd gesprochen. Dennoch klangen seine Worte noch Sekunden danach durch den Raum. Als er nun wieder fortfahren wollte, kam ihm Kommissar Morry mit seiner Frage zuvor: „Sag, welche Maßnahmen hast du bis zur Stunde getroffen?"
„Nun die, die nach Lage der Dinge getan werden mußten!" antwortete Inspektor Keeton mit müder Stimme. „Das ist einmal, ein Fahndungsersuchen nach diesem angeblichen Jean Embroke. Und dann weiter, eine Meldung an die Presse, daß sich dieser unbekannte Zeuge bei uns melden soll! Sonst noch nichts."
Einen Augenblick sah Kommissar Morry seinen Kollegen überlegend an. Dann meinte er zweifelnd, jedoch ohne vorwurfsvoll dabei zu wirken: „Ein Fahndungsersuchen an alle Dienststellen hätte ich auch herausgegeben. Aber mit der Pressemeldung hätte ich noch etwas gewartet."
Inspektor Keetons Lippen wurden nach diesen Worten des Kommissars schmal. Er überlegte angestrengt, warum sein Freund und Kollege Morry im zweiten Fall anders als er gehandelt hätte. „Warum meinst du, hätte ich damit noch warten sollen?" fand er selbst keine genügende Erklärung dafür, daß sein Gegenüber andern Sinnes war.
Augenblicklich kam Kommissar Morrys Überlegung, warum er den Schritt seines Kollegen nicht ganz gut hieß: „Weil wir noch nicht wissen, in welchem Zusammenhang der Anrufer mit dem Mörder in Wirklichkeit steht. Nehmen wir an, daß beide Personen unter einer Decke stecken, dann geben wir doch zu erkennen, daß wir, wenn nicht direkt auf ihren Bluff hereingefallen, so doch zu der Annahme neigen, etwas Wahres an dieser Geschichte zu sehen. Darauf werden in diesem Falle die Burschen bauen — und wenn nicht viel, so haben sie dennoch Zeit gewonnen. Hätten wir sie dagegen im unklaren gelassen, mit anderen Worten also, diesen Anruf in der Zeitung nicht veröffentlichen lassen, so befänden sie sich stets im Zweifel, ob sie nicht doch einen Fehler begangen hätten und ob wir nicht schon auf ihrer Spur wären."
„Du glaubst also, es war ein grober Fehler von mir, diesen Aufruf herauszugeben", unterbrach Inspektor Ernest Keeton den Kommissar! Seine Finger trommelten währenddessen nervös auf der Schreibtischplatte herum. Offenkundig zeigte er damit an, daß er nun an der Richtigkeit seines Handelns zweifelte.
Kommissar Morry jedoch beschwichtigte die Unruhe seines Freundes mit den Worten; „So groß ist der Fehler auch wieder nicht, Ernest. Besser, so meine ich jedenfalls, wäre es gewesen, noch einen oder gar zwei Tage damit zu warten. Aber nun ist der Aufruf bereits in jedem Haus und somit nichts mehr daran
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