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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wechseln musste. Sie würde dem Ungeheuer, das nun einen Namen hatte, den sie in Gedanken kaum aussprach, an die Kehle gehen. Er sollte noch so viel Atem haben, ihr in die Augen sehen und hören zu können, wie sie flüsterte: »Das ist für Gregor, den besten Mann, der dir jemals zum Opfer gefallen ist, du … dreckstück!«
    Und wenn er selbst oder seine Leibwächter sie daran hinderten? Nein, sein Blut würde auf jeden Fall fließen! Und wenn im Getümmel obendrein ein paar Finger von der schwitzigen Hand des Leibwächters abgetrennt wurden, die sich auf ihren Mund gepresst hatte, würde sie deswegen kein schlechtes Gewissen empfinden.
    Überdies ließ eine scharfe Klinge sich besser ins eigene Herz stoßen, wenn der Anschlag fehlzuschlagen drohte. Und falls Barbara die Tat glücklich zu Ende bringen konnte, ebenso.
    Schweißgeruch, Mundgeruch, zu oft nass gewordene Kleidung und zu selten gewaschene Haut … in der Menge vor dem Portal eingekeilt, brach Barbara der Schweiß aus. Sie biss die Zähne zusammen. Ihr Magen revoltierte angesichts der Anspannung, des Gestanks und der Tatsache, dass sie seit gestern zur Sext nichts mehr zu sich genommen hatte. Sie schmeckte ihren eigenen Atem und wusste, dass er um nichts besser roch als derjenige der Pilger um sie herum. Hildegard hatte stets Schälchen mit Kardamom herumstehen, die von den Badenden ausgiebig gekaut wurden, um ihren schlechten Atem abzutöten; Barbara hatte einen weiten Bogen um sie gemacht, weil sie wusste, dass ihr angeschlagener Magen die Schärfe der Samenkügelchen niemals vertragen hätte. Sie schloss die Augen und blinzelte angestrengt, als ihr ein Schweißtropfen in die Wimpern lief.
    Ein übler Atemstoß wehte unter ihr Tuch. Sie drehte den Kopf und starrte einem Mann in die Augen, der ihr so nahe war, dass er sie ohne Anstrengung hätte küssen können. Er verzog den Mund zu einem Grinsen, das seine Augen nicht erreichte. Nach einer Schrecksekunde erkannte Barbara, dass der Mann vor Angst beinahe schielte; er besaß ein spitzes, unrasiertes Gesicht unter einer Lederhaube, die vermutlich einer umfangreichen Population von Läusen Dach und Himmel war. Sie hob die Hand, um ihn wegzustoßen.
    »Ein Wunder, Schwester«, flüsterte der Mann. »Willst du ein Wunder sehen?« Seine Blicke schossen hin und her und saugten sich schließlich an ihrem Gesicht fest.
    »Nein«, sagte Barbara.
    »Ich zeig’s dir. Hier, sieh her …« Erneute sichernde Blicke; dann schob sich eine Faust vor ihre Nase, klappte auf, klappte zu, und wieder die hin und her zuckenden Blicke. »Ist das nicht ein Wunder, Schwester?« Seine Stimme klang, als hätte er hinzugefügt: O bitte, bitte, bittebitte …
    »Ich habe gar nichts gesehen«, sagte Barbara. »Und jetzt lass mich in Ruhe, du Narr.« Sie legte eine Hand vor seine Brust und wollte ihn wegschieben, doch in der Menge war es unmöglich.
    »Nein, sieh noch mal her«, flehte er. »So eine günstige Gelegenheit kommt nicht mehr wieder, Schwester. Ich will doch nur dein Bestes. Schau, der Fingerknochen der heiligen …«
    Er hielt ihr die Faust noch einmal vors Gesicht und öffnete sie langsamer. Bevor Barbara erkennen konnte, was er darin versteckte, legte sich plötzlich eine Pranke groß wie eine Bratpfanne um die Faust des Mannes und drückte sie zu. Barbara hörte irgendetwas darin knacken, und das heisere Flüstern des Kerls verstummte mit einem Wehlaut.
    »Sie hat dir gesagt, du sollst dich zum Teufel scheren«, brummte eine Stimme hoch über ihr.
    Der Mann mit der Lederhaube begann zu winseln und ging in die Knie. Seine Faust steckte in der Pranke des Mannes wie in einer Schlagfalle. Noch einmal hörte Barbara irgendetwas knacken.
    »Ich glaube, jetzt hat er verstanden«, sagte sie und blinzelte nach oben. Ein braun gebranntes Gesicht unter einem kahl geschorenen Schädel blickte auf sie herab; ein fröhliches Grinsen legte die schmalen Wangen in Falten und ließ die Augen blitzen. Überrascht erkannte Barbara, dass es der Mann war, der versucht hatte, mit Iver ins Geschäft zu kommen und den sie zuerst für einen seiner Leibwächter gehalten hatte; der Mann mit dem leeren Schwertgehenk eines Ritters an der Hüfte.
    »Herr«, stöhnte der Mann mit der Lederhaube, »ich wusste doch nicht … Ihr gehört zu ihm, oder? Ich dachte, hier darf jeder …«
    Die Schlagfalle öffnete sich, und der Mann mit der Lederhaube taumelte zurück.
    »Verschwinde«, sagten Barbara und der Kahlgeschorene gleichzeitig. Sie sahen sich an.

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