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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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genug«, sagte er. »Hinein komme ich alleine.«
    »Ist gut, Vater«, rief der Junge und blieb vor ihm stehen. Er sah zu ihm hinauf; ein schmächtiges Bürschchen, das Ulrich gerade eben bis zum Bauchnabel reichte. Wenigstens hatte es diesmal keines Rettungseinsatzes der Klostergemeinschaft bedurft … Ulrich seufzte. Ein kluger Mann war der, der sich mit dem Geschick abfand, das Gott der Herr ihm zugedacht hatte. Und ihm war offensichtlich zugedacht, dass er sich unweigerlich verirrte, wenn ihn nicht eine gerade Linie zum Ziel führte und das Ziel deutlich sichtbar war. Was das für die Aufgabe bedeutete, die er hier zu bestehen hatte und zu deren Erfüllung der Weg noch verschlungener war, als jeder Fußmarsch vom Dom zur Herberge es jemals sein konnte, lag klar vor Augen …
    Ulrich seufzte ein zweites Mal. Er starrte auf den Jungen und fühlte sich tölpelhaft, unnütz und hoffnungslos.
    Der Junge grinste übers ganze Gesicht. Endlich kämpfte sich der Gedanke durch Ulrichs Mutlosigkeit, dass der Kleine eine Belohnung erwartete – und dass ein Segen zwar angebracht, aber nicht ausreichend war.
    Ulrich räusperte sich und fischte in seiner Kutte nach der Börse. Leicht war sie geworden, besonders nach Rinaldos letzter Forderung. Wie geldgierig die Menschen hier waren (besonders der Klerus; Rinaldo hatte ihm verraten, dass der Domprobst am tiefsten in den Säckel gelangt hatte). Blieb zu hoffen, dass Rinaldo mit dem heutigen Betrag alle Hände gesalbt hatte, die zu salben waren, sonst ging ihnen das Geld aus, noch bevor sie auch nur den kleinsten Hinweis auf den Verbleib des Schädels hatten. Ulrich fühlte eine Woge des Zorns in sich aufsteigen, als er sich vor Augen führte, welch große, mühsam erarbeitete Finanzmittel des Klosters wegen der Suche nach Sankt Albos Reliquie vernichtet wurden … und er ärgerte sich noch mehr, als ihm bewusst wurde, dass sein Zorn ganz allein dem Heiligen galt.
    Er holte eine geviertelte Münze heraus, überprüfte ihren Wert und reichte sie dem Jungen. Sie verschwand blitzschnell in einer schmutzigen kleinen Faust. Der Junge blieb stehen und lächelte zu Ulrich empor. Ulrich gab den Blick des Knirpses ratlos zurück; dann holte er eine weitere Münze heraus. Der Junge schnappte sie so schnell wie die erste und lächelte weiter.
    »Nun ist aber gut«, sagte Ulrich und stellte fest, dass er das Lächeln zurückgab. Der Junge zuckte mit den Schultern, dann kniete er nieder und senkte den Kopf. »Segne mich, Vater.«
    Ulrich tätschelte den verfilzten Hinterkopf des Kindes. »Der Herr behüte dich auf all deinen Wegen«, sagte er und meinte es ehrlich. Dann fügte er hinzu: »Und er möge dich zu mir führen, wenn ich auf meinen Wegen wieder vom rechten Pfad abkomme.«
    Der Junge sprang auf. »Gemacht, Vater!«, rief er, sauste in die nächste Gasse hinein und war verschwunden. Ulrich hätte geschworen, dass sie aus einer ganz anderen Gasse gekommen waren … nun, der Junge musste ja nicht unbedingt auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Andererseits, warum hätte er einen Umweg machen sollen? Auf jeden Fall war Ulrich sicher gewesen, dass sie nicht aus dieser, sondern aus jener Gasse gekommen waren, der mit dem toten Raben in der Kotrinne … oh, der Rabe lag ja dort drüben in der Rinne, nicht da, wo Ulrich ihn erwartet hatte (und dass der tote Rabe sich von der Stelle bewegt hatte, war ja ziemlich unwahrscheinlich). Ulrich schloss die Augen, unterdrückte ein Stöhnen und platzte dann so schnell in die Trinkstube hinein, als würden sämtliche Teufel der Hölle aus den Gassenmündungen auf ihn zustürmen.
    Das Dunkel in der Trinkstube war im ersten Augenblick undurchdringlich; der Lärm schien es ebenso zu sein, bis er mit einem letzten Lacher, einem letzten heiseren Ausruf abbrach und eine Stille entstand, in die hinein das Krachen der aufgestoßenen Tür zu dröhnen schien wie ein Donnerschlag. Ulrich blieb stehen. Alle Köpfe wandten sich ihm zu. Die Trinkstube war mit mindestens zwei Dutzend Menschen besetzt, und alle gafften ihn an. Die Stille dehnte sich, bis Ulrich das Gefühl hatte, hineinzufallen. Irgendwo rülpste jemand und brach mit einem erschrockenen Winseln ab. Beim Kamin scharrte eine Bank ins Schweigen hinein.
    Ulrich spähte in die Düsternis. Etwas wuchs dort in die Höhe, bis es mit dem Kopf an die Decke zu stoßen schien. Jörg von Ahaus. Er winkte.
    »Hier drüben, Brud… Herr!«, rief er. »Hier bin ich!«
    Sein Ruf brach den Bann. Plötzlich

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