Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Talente … nicht, dass mein Talent sonderlich groß gewesen wäre.«
    »Du musst dich nicht kleiner machen, als du bist, auch nicht im Spaß«, sagte Ulrich, und eine Weile blieb seine Aussage im Raum hängen, während sowohl Jörg als auch Rinaldo darauf herumkauten.
    »Was hat euch getrennt?«, fragte Ulrich schließlich.
    »Ich dachte, ein Klosterbruder würde als Erstes fragen, ob wir gesündigt haben.«
    »Die Gemeinschaft im Kloster ist eine Gemeinschaft der Liebe«, sagte Ulrich. »Darum geht es in erster Linie. Wir fragen, was uns zusammenhält, nicht, was uns trennt.«
    »Ich glaube«, sagte Jörg und lächelte freudlos, »du beschönigst ein bisschen was.«
    Ulrich gab das Lächeln zurück und bemühte sich, es wärmer sein zu lassen als das Wolfsgrinsen, das Jörg hervorgebracht hatte. Jörg zuckte mit den Schultern.
    »Na ja, Bruder Ulrich, ich beichte hier und jetzt: Wir haben nicht gesündigt. Jedenfalls nicht in Taten. Aber selbst wenn wir es getan hätten, nicht einmal Gott der Herr hätte es als Sünde ansehen können. Wir haben uns …« Jörg brach ab und tat so, als müsse er nachdenken. Ulrich sah einen Schatten von Mitgefühl über Rinaldos dunkles Gesicht huschen, der sofort wieder hinter der Maske aus amüsiertem Interesse verschwand, als er Ulrichs Blick bemerkte.
    »Wir waren zwei Hälften eines Ganzen«, sagte Jörg schließlich.
    »Erbfolge«, sagte Rinaldo.
    Jörg nickte.
    »Maledetto. Eine wichtige Lehensnehmer? Oder die König?«
    »Ein sehr guter Verbündeter«, erklärte Jörg.
    Ulrich starrte Jörg an. »Ist es so, wie ich denke?« Er schluckte, weil er plötzlich glaubte, Jörgs Schmerz nachvollziehen zu können.
    »Mein ältester Bruder war sehr erfreut. Irmgard war nicht nur schön, weil meine Liebe sie dazu machte. Und ihre Mitgift war Ellenbrechtskirchen, das ohnehin nach einem neuen Verwalter verlangte, weil Otto den Wunsch geäußert hatte, ins Heilige Land zu ziehen, sobald es möglich wäre.«
    »Dann bist du mitgezogen?«
    »Mit Otto? Nein. Er entband mich von meinem Treueschwur, weil er als einfacher Pilger dorthin wollte, nicht als Ritter. Der Graf ließ mich eine Weile als Edelknecht in Zulling dienen, doch als Kaiser Rotbart das Kreuz nahm, schlug er mich zum Ritter und ließ mich ziehen.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass du nichts sehnlicher wolltest, als aus Irmgards Nähe zu verschwinden.«
    »Unsinn«, sagte Jörg. »Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als zu ihren Füßen zu liegen oder den Boden zu küssen, auf dem sie gegangen war. Ich konnte es nicht ertragen, fern von ihr zu sein, auch wenn mich jeder Augenblick quälte, den wir zusammen waren; auch wenn ich wusste, dass es früher oder später zu einer wirklichen Sünde kommen würde, wenn ich nicht aus ihrer Nähe floh … verstehst du, Bruder Ulrich? All das Gerede vom Beilager, das ohne die Sanktion des Ehesakraments eine Sünde sein soll, ist klerikale Kacke, wenn du entschuldigst, und hat mehr mit dynastischer Vermögenssicherung zu tun als damit, dass Gott den Menschen ein Herz gegeben und Jesus Christus sie die Liebe gelehrt hat. Aber die Frau meines Bruders zu nehmen … nein, das wäre wirklich Sünde gewesen.«
    »Du hattest einen klugen Lehrer«, sagte Ulrich.
    »Otto war ein großer Mann.«
    »Ich hoffe, er ist von seiner Pilgerfahrt heil zurückgekommen.«
    Jörg holte tief Atem. »Ja, das hoffe ich auch.«
    »Warum bist du doch gegangen?«, fragte Rinaldo.
    Jörg ließ sich mit der Antwort Zeit. »Es gab keinen Grund mehr zu bleiben.«
    Ulrich fühlte, wie eine plötzliche Schwäche seine Beine hinaufkroch. Er und Rinaldo wechselten einen raschen Blick. Selbst Rinaldo schien schockiert und nicht zu wissen, was er sagen sollte.
    »Ihr habt schon richtig verstanden«, sagte Jörg. »Kindbettfieber.«
    »Der Herr sei euren Seelen gnädig«, flüsterte Ulrich.
    »Der Schmerz vergeht mit der Zeit«, sagte Jörg. »Das Loch im Herzen bleibt.«

Kapitel 21.
    R inaldo stellte fest, dass auch er ein Loch im Herzen hatte. Tatsächlich war dieses Loch so groß, dass es schien, als wäre sein Herz zur Gänze darin verschwunden. Er lag mit geschlossenen Augen auf der Strohmatratze und tat so, als würde er noch schlafen. Von rechts ertönte Jörgs leises Atmen (angesichts seiner Größe hätte man erwartet, dass er dröhnend wie ein Schlachtross schnarchte, aber im Schlaf war er so leise wie ein Luchs), von links die geflüsterten Gebete von Bruder Ulrico, der versuchte, den Gebetsrhythmus des Klosters

Weitere Kostenlose Bücher