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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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und jetzt ist mir klar, dass es wirklich stimmt.« Er machte eine Kopfbewegung zum Dom hin. »Lass uns gehen, mein Freund. Ich kann es kaum erwarten, Zeuge zu werden, wie du alle diese Aaskrähen aufs Neue an der Nase herumführst.«
    Und so einfach war es, dachte Rinaldo, während er neben Ulrich hertrottete und in die Menschenmenge eintauchte, die zum Dom strömte. Heute nicht mit den zehn Pfennigen bei Tiberius aufzukreuzen, war bloß ein Risiko, das man auch als Herausforderung betrachten konnte. Tiberius wollte einen anderen Sänger nehmen, wenn der sich bei ihm vorstellte und auf seine Forderungen einging? Ha, sollte er doch! Es galt noch immer, was Rinaldo gesagt hatte: Einer wie er stand nicht an jeder Ecke, und wenn Tiberius sich einen Raben statt einer Drossel ins Haus geholt hatte, würde er ihn sehr schnell mit einem Tritt in den Hintern wieder auf die Gasse befördern – und Rinaldo würde erneut hineinspazieren, ein paar spöttische Bemerkungen machen und den Betrag vielleicht auf acht Pfennig drücken können. Wie er die acht Pfennig zusammenbekommen und die Zeit bis dahin überbrücken sollte, war noch die Frage, aber es gehörte nun mal zum Wesen einer Herausforderung, dass man nicht alles planen konnte. Außerdem war ja nicht gesagt, dass Tiberius wirklich Ersatz für Rinaldo fand in der kurzen Zeit, die Ulricos Mission noch dauern konnte. Gut, in diesem Fall würde die Summe von zehn Pfennig gelten, aber auch hier galt: Irgendwie würde er sie schon zusammenbekommen. Die Einzelheiten waren des Nachdenkens erst wert, wenn der Ernstfall eintrat.
    Rinaldo reckte sich, bis sein Lederkorsett knackte. Er hatte plötzlich das Gefühl, der Zukunft noch nie so erwartungsvoll ins Gesicht geschaut zu haben wie in diesen Augenblicken. Ihre kleine Gemeinschaft – er, Ulrico und Jörg – würde sich in den nächsten Tagen auflösen, doch es war nicht mehr so deprimierend, wenn man sich sagen konnte: Man hatte dazugehört. Man war ein wesentlicher Bestandteil gewesen, der wertvolle Beiträge geliefert und zum Erfolg der Mission beigetragen hatte. Man konnte in späteren Jahren davon erzählen und das anheimelnde Gefühl der Freundschaft nachempfinden, das einen durch die Mission begleitet hatte, und man wusste, dass es den anderen ebenso erging, wenn sie ihrerseits an den Orten, an die das Schicksal sie spülte, über ihr Abenteuer redeten. Und wenn Rinaldo nicht gewesen wäre, dieser kleine italienische Sangesvogel, wer weiß, ob wir’s geschafft hätten. Rinaldo, ja, auf den war Verlass …
    Rinaldo lächelte und reckte sich noch ein wenig höher. Er würde das Korsett bei nächster Gelegenheit ablegen. Er hatte keine Rückenschmerzen mehr.
    Mit einer tiefen Verbeugung gestikulierte er in Richtung Dom. »Nach dir, Herr und Gebieter«, sagte er.
    »Du kommst heute wieder zu mir?«, fragte eine schmeichelnde Stimme. Rinaldo blieb abrupt stehen. Ulrich stapfte noch ein paar Schritte weiter und kam dann zurück an seine Seite. Rinaldo starrte in das Gesicht unter dem Tuch.
    »Katerina?«
    Die Hübschlerin schlug das Tuch zurück und lächelte Rinaldo so voller falschem Schmelz an, dass einem die Zähne wehtaten.
    »Was tust du denn hier?«
    Katerina machte eine ungewisse Handbewegung über den Platz, auf dem die Menschen, die zusammen mit Rinaldo und Ulrich die Morgenmesse verlassen hatten, und diejenigen, die in den Dom wollten, um die Reliquien zu besuchen, durcheinander strudelten. »Auf Markt«, sagte sie. »Tiberius sagt, geh einkaufen.« Sie beugte sich zu Rinaldo nach vorn. »Monatskrankheit, du weißt. Gestern ging noch.« Sie lächelte. »Du warst Letzter, hast das Leiden aufgestochert, was?«
    Ulrich sah von ihr zu Rinaldo und zurück. Rinaldo konnte ihm ansehen, dass er sich zu begreifen mühte, was Katerina meinte und wer sie war. Voller Entsetzen wurde ihm klar, dass Ulrich niemals begreifen durfte …
    »Schön, schön«, sagte Rinaldo und wandte sich hastig ab. »Viel Glück dann beim Einkaufen.«
    Katerina stellte sich ihm in den Weg. Sie lächelte immer noch ihr aufgesetztes Lächeln.
    »Du kommst heute, du kannst trotzdem zu mir. Mach es wie in Rom, wie mit Knaben … kostet nur ein bisschen mehr, aber du hast Geld, nicht? So wie letzte beide Male, nur mehr?«
    »Woher kennst du Rinaldo, mein Kind?«, fragte Ulrich. »Ich hoffe, du treibst nicht auch diesen verdorbenen Handel.«
    Katerina äugte an Ulrich in die Höhe. Rinaldo schüttelte den Kopf und umfasste Katerinas Ellbogen, um sie in

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