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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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und …«
    Iver zuckte mit den Schultern, als sie schwieg. »Und dann hast du festgestellt, dass du den Falschen erwischt hast.«
    Das Entsetzen, das sie immer noch spürte, verwandelte sich plötzlich in hilflosen Zorn. Sie packte Iver am Wams und zog ihn zu sich heran, bis ihre Gesichter dicht voreinander waren. Iver japste und klappte dann den Mund zu, als er die Messerspitze wieder an der Kehle spürte.
    »Iver, du Schwein!«, zischte sie. »Ich hätte ums Haar einen Unschuldigen umgebracht. Wolltest du das? Wenn ich nicht noch in sein Gesicht hätte sehen wollen, dann …«
    »Hast du geglaubt, einen Menschen umzubringen ist einfach?«
    »In der Hölle sollst du braten, du Stück Dreck. Vielleicht ist es ja einfacher, dich umzubringen!«
    »Langsam, langsam«, sagte Iver mühsam. »Hast du den kleinen Mann gesehen? Schwarze Haare, sieht aus wie ein Muselmane und stolziert wie ein Gockel? Redet mit Händen und Füßen?«
    »Ja …«
    Iver hob eine Hand und legte eine Fingerspitze an die Messerklinge. Sie ließ es zu, dass er sie wegdrückte. Er sah ihr in die Augen.
    »Das ist sein neuer Knecht. Ich weiß nicht, was aus den anderen beiden geworden ist, die du kennst, und ob er noch einen zweiten neben dem Muselmanen hat, aber mit dem zusammen ist er jedenfalls angekommen. Normalerweise hat er immer zwei Kerle, die seine Drecksarbeit machen. Wahrscheinlich ist dieser Muselmane einer von den Burschen, die zu diesem Alten vom Berg drüben gehören – von denen sagt man ja, dass einer von ihnen übler ist als ein ganzer Trupp Normannen auf der Fehde …«
    »Blablabla, Iver«, knurrte Barbara, doch sie war unsicher geworden. »Was willst du mir eigentlich erzählen?«
    »Dass ich dich nicht in die Irre geschickt habe, Kindchen! Kapierst du das nicht?«
    »Aber wieso habe ich dann …«
    »Was weiß ich? Vielleicht bist du zu spät gekommen? Vielleicht war er schon aus der Kirche, bevor du reinkamst? Vielleicht hast du nicht richtig hingeschaut? In der Kirche einen Kuttenträger zu finden ist ja nicht weiter schwierig, die wimmeln da herum wie die Läuse am Sack eines Dorfkaplans. Wahrscheinlich bist du einfach dem nächstbesten hinterher gelaufen.« Er sah sie an und lächelte plötzlich müde. »Du hast nicht das Zeug zu einer Mörderin, Kindchen, das hab ich dir schon mal gesagt.«
    »Geh zum Teufel, Iver.«
    »Geh selber, Barbara. Ich hab die Schnauze voll von dir.«
    »Wer, hattest du gedacht, hält dir das Messer an die Gurgel?«
    »Was meinst du damit?«
    »Als ich die Hübschlerin wegschickte, sagtest du: ›Ich dachte schon …!‹ Was hast du gedacht?«
    Iver zuckte mit den Schultern und sah zu Boden.
    »Du dachtest, ich sei Bruder Antonius, nicht wahr?«
    »Äh …«, machte Iver. Er winkte ab.
    »Warum? Bist du ihm ins Gehege gekommen? Geschäftlich?« Sie spuckte das letzte Wort aus. »Hast du gedacht, er schneidet dir diesmal den Hals ab, nicht nur die Nase?«
    »Der Kerl sucht nach einem verdammten Schädel«, brummte Iver. »Von einem Sankt Albo. Nie von ihm gehört, wenn ich ehrlich bin. Aber Antonius muss glauben, dass er was wert ist. Alle Reliquienhändler sprechen seit gestern von nichts anderem mehr.«
    »Und wer hat ihn?«
    »Keine Ahnung, Kindchen. Und wenn ich keine Ahnung habe, dann heißt das: keiner hat ihn.«
    »Ein Schädel …«, sagte Barbara mehr zu sich selbst. Ihr kam ein Gedanke. Gestern noch hatte sie geglaubt, kein zweites Mal den Mut aufzubringen, auf die Suche nach dem Ungeheuer zu gehen. Jetzt ahnte sie plötzlich eine Möglichkeit, ihn mit seiner eigenen Gier in die Falle zu locken. Sie achtete kaum mehr auf Ivers Geschimpfe.
    »Keiner ist andererseits zu viel gesagt«, brummte der. »Vor ein paar Tagen hat mir einer einen Schädel angeboten, allerdings ohne einen Namen dazu. Der Kerl sah aus wie ein Narr. Wahrscheinlich weiß er gar nicht, was er da in den Händen hat.«
    »Du glaubst, Bruder Antonius hat den Auftrag, nach diesem Schädel zu suchen?«
    »Ob im Auftrag oder aus eigenem Antrieb, ist doch egal. Er will ihn, so viel ist sicher. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich wegen irgendetwas so weit aus der Deckung wagt wie dieses Mal. Als du mir das Messer an die Gurgel gehalten hast, dachte ich, er hätte von dem Angebot erfahren, das ich erhielt, und dass er glaubte, ich hätte es entweder angenommen oder könnte ihn zu dem Anbieter führen.«
    »Wie zu Gregor«, sagte Barbara.
    Iver nickte, ohne dass sich auf seinem Gesicht ein schlechtes Gewissen gespiegelt hätte.

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