Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Besuch entlocken?«
»Bitte …«, sagte Rinaldo.
»Ecco, Bruder Ulrico«, stieß Ulrich hervor, »da muss ich noch einmal die Hand von die Domprobst salben, damit sie mir glaubt, dass wir die Schädel von die Albo schon haben!« Daran, wie der Mönch seine Stimme nachäffte und sogar in einer plumpen Nachahmung von Rinaldos Gestik mit den Händen in der Luft wedelte, erkannte Rinaldo, wie tief der Archivar getroffen war. »Und die Priester und die Diakon und die Subdiakon und die Ministranten und die Sänger von die Knabenchor und die Küster und die Kerl, die die Glocke läutet, brauchen auch noch etwas, alles in Ordnung, Bruder Ulrico, es geschieht nur zu die Besten von die Kloster und die Gemeinschaft …«
»Hör auf, Bruder Ulrico«, bat Rinaldo.
Ulrich brach ab und starrte Rinaldo an, die Hände immer noch in einer affektierten Geste erhoben. Langsam ließ er sie sinken. Rinaldo spürte, wie der Schmerz mit einem Stich in seinen Rücken zurückkehrte.
»Ich kann alles erklären«, sagte Rinaldo matt.
»Nein«, sagte Ulrich. »Das könnt Ihr nicht, Meister Rinaldo.«
Etwas zerbrach in Rinaldo, als er in Ulrichs Augen sah und seine Anrede hörte. Er sah, dass in Ulrich ebenfalls etwas zerbrochen war, vielleicht noch schlimmer als in ihm selbst. Rinaldo, ja, auf den war Verlass …
Rinaldo fuhr herum und stürzte sich kopfüber in die Menge, die erschrocken zurückwich. Er bahnte sich lautlos und mit solcher Rücksichtslosigkeit seinen Weg, dass sich eine Gasse vor ihm öffnete. Ein einziges Wort von Bruder Ulrico, ein einziger Ausruf nur, und er wäre umgekehrt. Doch Bruder Ulrico blieb stumm.
Rinaldo rannte davon und konnte nichts tun, als seine Tränen zurückzuhalten und das verzweifelte Gebrüll hinunterzuschlucken, das sich Bahn brechen wollte.
Die Kehle tat ihm so weh, als drückte jemand eine Klinge dagegen.
Kapitel 22.
A ls sie Iver das Messer an die Kehle hielt, zuckte er zusammen und begann so heftig zu zittern, dass Barbara es bis auf ihre eigene Haut spürte. Sie spähte über seine Schulter auf die Hübschlerin hinunter, die vor ihm kniete und Barbaras Blick zurückgab, ohne in ihrer Tätigkeit innezuhalten.
»Das war’s«, sagte Barbara zu ihr. »Feierabend.«
»Gott im Himmel«, stöhnte Iver. »Du bist es. Ich dachte schon …«
Die Hübschlerin ließ von Iver ab und richtete sich auf. »Mach’s gut, Iver«, sagte sie und schritt davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Hoffentlich schneidet sie dir nicht nur die Gurgel ab.«
»Du mich auch!«, stieß Iver röchelnd hervor. Dann versuchte er vorsichtig, den Kopf zu drehen, um Barbara anzublicken. »Wenn du das Messer einsteckst, wäre ich dir sehr verbunden, Kindchen.«
»Pack dich erst mal zusammen. Es reicht schon, wenn ich dein Gesicht sehen muss.«
Iver fummelte mit vielen Verrenkungen an seinen Beinkleidern herum, bis er alles verstaut hatte. Sein Gesicht durchlief dabei eine rasche Folge von Zuckungen und Grimassen, sobald die Klinge von Barbaras Messer sich zu fest an seine Kehle presste. Schließlich seufzte er und ließ die Arme herabhängen. »Jedes Mal dieser Schreck am frühen Morgen. Deinetwegen werde ich irgendwann mal nicht mehr können.«
»Du kannst jetzt schon nicht, du Ferkel. Wenn du ein ganzer Mann wärst, würdest du ihn den Weibern woanders hinstecken.«
»Wofür bezahle ich eigentlich einen Leibwächter, wenn du dich jedes Mal an mich heranschleichen kannst?«
»Ich habe ihm gesagt, du möchtest heute zwei Damen auf einmal glücklich machen. Er hat es geglaubt. Obwohl er mich eigentlich noch vom letzten Mal hätte kennen sollen.« Sie wies zum Eingang der Gasse, wo Ivers Leibwächter stand und in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung den Kopf gegen die Mauer schlug. »Dein Gesinde lässt neuerdings sehr zu wünschen übrig.«
Barbara nahm die Klinge von Ivers Hals und drehte sie rasch herum. Er musste nicht sehen, dass sie ihm den Messerrücken gegen die Kehle gehalten hatte. Iver blieb noch einen Augenblick stehen; dann wandte er sich zu ihr um und breitete die Arme aus. »Ich hätte nicht gedacht, dich noch mal lebend wiederzusehen.«
»Dein Hinweis war faul«, sagte sie. »Beinahe hätte ich einen fetten Bettelmönch abgestochen.«
»Was?«
»Ich war im Dom«, erklärte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Er stand beim Schrein. Als er rausging, habe ich ihn bis in den Berlich verfolgt. Ich habe ihn …« Ihre Stimme brach, und sie musste sich räuspern. »Ich habe ihn zu Boden gerungen
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