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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nich’ in der Herberge. Ich hab ihn geführt. Und es war nich’ irgendein Pfaffe …«
    Rinaldo, der die Hand ausgestreckt hatte, um den Jungen am Ärmel zu zupfen, hielt plötzlich inne. Durch das sanfte Brausen, das der Wein in seinem Kopf hervorgerufen hatte und durch das alle Geräusche gedämpft und alles Verstehen mit Verspätung drangen, hatte er ein Wort wahrgenommen: geführt. Er blinzelte angestrengt, die Hand halb in der Luft.
    »Sag bloß …«, machte der Wirt und riss die Augen auf.
    »Ja, Onkel, ja!«
    »Ich werd verrückt. Und? Wie sah er aus?«
    »Wie meinst du das?«
    Rinaldo streckte die Hand zur Gänze aus und zupfte den Jungen. »Von wem redest du?«, fragte er.
    »Niemand hat je sein Gesicht gesehen, und …«
    »Unsinn, Onkel. Er saß in der Herberge wie du und ich …«
    Rinaldo zupfte weiter. Der Junge drehte sich um. Als er Rinaldo ansah, erbleichte er.
    »Re… redest du von …«, stotterte Rinaldo.
    Der Junge riss sich los und trat einen weiten Schritt zurück. »Heiliger Severin!«, stieß er hervor. »Der Maure! Der Assassine! Sein Knecht!«
    Der Wirt drehte den Kopf hin und her. Seine Blicke huschten zu Rinaldo und zurück zu dem Jungen. »Das ist kein Maure«, sagte er. »Das ist ein verdammter Italiener, der seinen Wein nicht bezahlen kann und dem ich jedes Glied einzeln ausreißen werde …«
    »Wohin hast du ihn geführt?«, fragte Rinaldo.
    »Das is’ sein Knecht …«, stieß der Junge hervor. »Das is’ kein Italiener, Onkel …«
    Rinaldo stand auf. Der Junge wich zurück. Rinaldo musste sich wieder setzen, weil seine Beine sich weigerten, ihn zu tragen. »Hat er eine Angebot erhalten?«, fragte er und bemühte sich, ein zweites Mal hochzukommen. »Hat er die Schädel endlich gefunden?«
    »Das soll … soll …?«, stammelte der Wirt mit dünner Stimme und zeigte auf Rinaldo.
    »Er hat zwei Knechte, ’nen Riesen und ’nen maurischen Assassinen«, rief der Junge. »Ich hab’s dir doch erzählt.«
    »Ja, aber …«
    »Ich hab Bruder Antonius zum Kunibertsturm geführt!«, sagte der Junge. »Ich hab mich schon gewundert, wo seine Knechte sind. Dabei sitzt einer hier bei dir …« Der Junge hatte sich so weit gefangen, dass er sich vor Rinaldo verbeugte. »Das ist die Taverne meines Onkels, Herr. Ich hoffe, der Wein schmeckt Euch …« Er lächelte ängstlich und respektvoll zugleich. Rinaldo umklammerte die Tischplatte mit beiden Händen und hoffte, dass er sich diesmal auf den Beinen halten konnte. Das Brausen in seinem Kopf hatte etwas Greifbares angenommen, als hätte er einen gewaltigen Wasserstrudel zwischen den Ohren, der sich drehte und hin- und herschwappte. Er rülpste noch einmal und spürte, dass ihm etwas in der Kehle hochstieg.
    »Hast du ihn allein dorthin gebracht?«, brachte er hervor.
    »Ja, Herr. Er hatte es sehr eilig.«
    Der Wirt blickte auf Rinaldo, dann zu den Bechern auf dem Tisch, die durch Rinaldos Bemühungen umgefallen waren, dann von diesen zu seinem Neffen und dann über den Wasserkrug zurück zu Rinaldo. »Ich wusste nicht …«, begann er.
    »Allein? Merda! Wo zum Teufel war Jörg?«
    »Der Riese? Weiß ich nich’, Herr.«
    »Unter diesen Umständen …«, sagte der Wirt.
    »Was wollte er denn dort?«
    »Hat er nich’ gesagt, Herr.«
    »Irgendeine gerissene Aas von Händler hat ihn rausgelockt«, schimpfte Rinaldo. »Certamente!« Er verhedderte sich zwischen Tisch und Bank, schaffte es aber, freizukommen und sogar den Wasserkrug abzufangen, der in Richtung Tischkante taumelte. Rinaldo hob ihn hoch und gestikulierte damit. »Wo ist das, die Kunibertsturm?«, fragte er.
    Der Junge streckte den Arm aus. Rinaldo schaute mit stumpfsinniger Miene in die gewiesene Richtung.
    »Am Nordende der Stadt«, erklärte der Wirt beflissen. »Beim neuen Mauerring. Direkt am Fluss.«
    »Du hättest ihn niemals allein dorthin gehen lassen sollen«, rief Rinaldo.
    »Aber Herr, ich hätt mich nie getraut, ihm zu widersprechen!«
    »Dich meine ich nicht!« Rinaldo starrte in den Wasserkrug. Der Strudel in seinem Kopf drehte sich träge. Der kühle, moosige Duft aus dem Krug stieg ihm in die Nüstern und ließ seine Augen schwimmen. »Porco dio! Bist du wahnsinnig, Giorgio! Ihn allein gehen lassen!«
    Rinaldo knallte den Krug so hart auf den Tisch, dass ein großer Schwall herausschwappte. Der Wirt zuckte zusammen.
    »Kann ich Euch noch zu einem Schluck Wein einladen?«, fragte er und machte beschwichtigende Armbewegungen.
    »No, Rinaldo!«, stieß Rinaldo

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